Montag, 22. April 2013

Geschmeichelte Eigenliebe

von Giacomo Leopardi

Welches ist die angenehmste Gesellschaft?
Diejenige, welche uns so erkennen lässt, wie wir uns selber sehen, dank derer wir uns an uns selber freuen, die uns überredet, wir taugten mehr als wir geglaubt hätten, die uns bestimmte Eigenschaften als lobenswert zeigt, die wir nicht oder nicht in dem Maße dafür gehalten hätten, diejenige, die wir mit größtem Respekt vor uns selber verlassen, die uns zufriedener mit uns selber entläßt.
Alles ist Eigenliebe, beim Menschen und bei jedem anderen Lebewesen. Liebenswert scheint und ist allein der, welcher die Eigenliebe der anderen pflegt, ihr schmeichelt und so weiter. Dies gehört zu den wichtigsten Beobachtungen und Kunstgriffen, wenn man als guter Gesellschafter gelten, wenn man sich angenehm und beliebt machen, wenn man begehrt und erfolgreich sein will, namentlich im galanten Verkehr.
Den Könnern in diesem Fach ist dies wohlbekannt. Wie oft wünscht man sich jemandes Gesellschaft, findet in ihr ein neues und besonderes Vergnügen? Man weiß nicht genau, warum, doch man schreibt es dem liebenswürdigen Umgang und Charakter des anderen zu. Der wahre Grund ist, dass er es versteht, uns einen höheren Begriff von uns selber zu geben oder auch unser günstiges Urteil über uns zu bestätigen.


Gute Nacht!

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