von Günter Kunert
1
Ich bringe eine Botschaft,
Und die heißt: Keine Sicherheit. Der auf Frieden
Hofft wie auf das Stillestehen der Zeit,
Ist ein Narr. Wohl: Die Waffen ruhen
Ein wenig, und die Toten der letzten Schlachten
Ruhen ein wenig, doch
Die Lebenden ruhen nicht.
2
Der im stahltapezierten Felsenzimmer
Die Raketen richtet
Auf die Brust seines Kameraden drüben, auf
Dessen Mutter und Stadt und Feld und Land, muß
Wissen, daß
Auf der anderen Seite die gleichen Ziele
Anvisiert werden: Sicherheit
Findet sich im Nirgendwo. Nicht getroffen
Von dem alles verheerenden Schuß
Werden einzig die Generationen, die vorher
Ins Nichts sich begaben.
3
Mit bleichen Gesichtern
Durchblättern am frühen Morgen die Städter
In den rollenden Zügen die Zeitungen hastig:
Wie steht der Kampf
In der brennenden Dschungeln von Laos,
Auf der anderen Seite des Erdballs?
Mühselig buchstabierend lesen sie die Namen
Äußerst fremder Orte und Generäle, die
Sie gleichgültig ließen, ahnten sie nicht:
Ihnen
Erwächst Gefahr.
4
Durch die noch stillen Wälder ziehen sich
Panzergräben
Auf den Landkarten erst, doch wer durch die Wälder
Geht, spüret
Schon einen Hauch.
5
Tödlichem Gas gleich
Wallt über uns die Gewohnheit: wem es nichts
Ausmacht,
Mit einem Bein im Grabe zu stehen, wird bald
Mit beiden drin liegen.
6
Auf einem Vulkan läßt sich leben, besagt
Eine Inschrift im zerstörten Pompeji.
7
Und die Bürger der vom Meere geschluckten
Ortschaft Vineta
Bauten für ihr Geld Kirchen, deren Glocken
Noch heute mancher zu hören vermeint, statt
Einen schützenden Deich.
8
Der ich ähnlich vielen, wenig
Neigung verspüre
Mein Dasein fortzuführen
Als unterseeisches Geläute, als mehr oder
Weniger klassische Inschrift,
Bringe nur eine kurze Botschaft: Keine Sicherheit
Heißt sie.
9
Solange die Zerstörung einträglicher ist
Denn Aufbauen, und
Solange
Nicht Abgeschafft sind,
Derer die Einträglichkeit ist, solange
Wird vielleicht hin und wieder sein: Ein wenig
Ruhe. Sicherheit
Keine.
Gute Nacht!
von Immanuel Kant
Es ist ein Unglück, daß
der Begriff der Glückseligkeit ein so unbestimmter Begriff ist, daß,
obgleich jeder Mensch zu dieser zu gelangen wünscht, er doch niemals
bestimmt und mit sich selbst einstimmig sagen kann, was er eigentlich
wünsche und wolle. Die Ursache davon ist: daß alle Elemente, die zum
Begriff der Glückseligkeit gehören, insgesamt empirisch sind, d.i. aus
der Erfahrung müssen entlehnt werden, daß gleichwohl zur Idee der
Glückseligkeit ein absolutes Ganzes, ein Maximum des Wohlbefindens, in
meinem gegenwärtigen und jedem zukünftigen Zustande erforderlich ist.
Nun ist's unmöglich, daß das einsehendste und zugleich
allervermögendste, aber doch endliche Wesen sich einen bestimmten
Begriff von dem mache, was er hier eigentlich wolle. Will er Reichtum,
wie viel Sorge, Neid und Nachstellung könnte er sich dadurch nicht auf
den Hals ziehen. Will er viel Erkenntnis und Einsicht, vielleicht könnte
das ein nur um desto schärferes Auge werden, um die Übel, die sich für
ihn jetzt noch verbergen und doch nicht vermieden werden können, ihm nur
um desto schrecklicher zu zeigen, oder seinen Begierden, die ihm schon
genug zu schaffen machen, noch mehr Bedürfnisse aufzubürden. Will er ein
langes Leben, wer steht ihm dafür, daß es nicht ein langes Elend sein
würde? Will er wenigstens Gesundheit, wie oft hat noch Ungemächlichkeit
des Körpers von Ausschweifung abgehalten, darein unbeschränkte
Gesundheit würde haben fallen lassen, u.s.w. Kurz, er ist nicht
vermögend, nach irgend einem Grundsatze, mit völliger Gewißheit zu
bestimmen, was ihn wahrhaftig glücklich machen werde, darum, weil hiezu
Allwissenheit erforderlich sein würde. Man kann also nicht nach
bestimmten Prinzipien handeln, um glücklich zu sein, sondern nur nach
empirischen Ratschlägen, z.B. der Diät, der Sparsamkeit, der
Höflichkeit, der Zurückhaltung u.s.w., von welchen die Erfahrung lehrt,
daß sie das Wohlbefinden im Durchschnitt am meisten befördern.
Gute Nacht!
von Voltaire
Ein Bettler in der Umgebung von Madrid
bat würdevoll um Almosen. Ein Passant sagte zu ihm: "Schämen Sie sich
nicht, diesem schmachvollen Gewerbe nachzugehen, wo Sie doch arbeiten
können?" - "Mein Herr", erwiderte der Bettler, "ich bitte Sie um Geld
und nicht um Ratschläge." Dann wand er ihm den Rücken zu, seine
kastilische Würde wahrend.
Dieser Mann war ein stolzer Bettler. Seine
Eitelkeit wurde durch eine Kleinigkeit verletzt, er bettelte aus
Eigenliebe und duldete nicht, dass ein anderer ihm aus Eigenliebe
Vorwürfe machte.
Ein Missionar begegnete auf seiner Reise durch
Indien einem mit Ketten beladenen Fakir, der nackt wie ein Affe auf dem
Bauch lag und sich für die Sünden seiner indischen Landsleute peitschen
liess, die ihm ein paar kleine Münzen schenkten.
"Welche Selbstverleugnung!" sagte ein Zuschauer.
"Selbstverleugnung?"
entgegnete der Fakir. "Lassen sie sich sagen, dass ich mich auf dieser
Welt nur prügeln lasse, um es ihnen in der anderen heimzuzahlen, wenn sie das Pferd sind und ich der Reiter!"
Diejenigen,
die gesagt haben, die Eigenliebe sei die Grundlage all unseres Fühlens
und Handelns, haben also in Indien, in Spanien und auf der ganzen
bewohnbaren Erde durchaus recht gehabt. Wie man nicht schreibt, um den
Menschen zu beweisen, dass sie ein Gesicht haben, so braucht man ihnen
auch nicht zu beweisen, dass sie sich von Eigenliebe leiten lassen.
Diese
Eigenliebe dient unserer Selbsterhaltung. Insofern gleicht sie dem
Fortpflanzungsorgan: auch dieses ist unentbehrlich, ist uns lieb und
wert, bereitet uns Freude. Und wir müssen es verstecken!
Gute Nacht!
von Ernst Jandl
schtzngrmm
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t-t-t-t
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grrrmmmmm
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tzngrmm
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grrt
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tzngrmm
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scht
scht
scht
scht
scht
grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
t-tt
Gute Nacht!
von Arthur Schnitzler
In den Beziehungen zwischen
Menschen gibt es so wenig einen Stillstand wie im Leben des einzelnen.
Es gibt Beginn, Entwicklung, Höhepunkt, Abstieg und Ende, und gerade so
wie beim Individuum selbst Erkrankungen der verschiedensten Art:
Unpässlichkeiten, angeborene Krankheiten, Erschöpfungszustände,
Alterserscheinungen; - und auch an Hypochondrien fehlt es keineswegs.
Manche Beziehungen gehen schon an Kinderkrankheiten zugrunde; auch
solche, die durch Sorgfalt, gute Pflege, kurz, durch eine vernünftige
Hygiene erhalten werden können; andere schwinden in der Blüte ihrer
Jahre durch interkurrente Krankheiten dahin, andere wieder sterben
früher oder später an konstitutionellen Leiden, die selten rechtzeitig
diagnostiziert wurden; einige altern rasch, andere langsam, manche sind
scheintot und können durch Geduld, durch Anwendung der richtigen Mittel,
durch guten Willen wieder zum Leben erweckt werden. Aber auch darin
gleichen die menschlichen Beziehungen den Menschen selbst, dass nur
wenige sich in das Unvermeidliche fügen, Wissen, Leiden und Alter mit
Würde tragen und in Schönheit sterben.
Gute Nacht!