von Yoshida Kenkô
Wer mit seinen Kenntnissen
prunkt und sich ehrgeizig in einen Wettstreit mit anderen einlässt, der
ist wie gehörntes Vieh, das seine Hörner zum Kampfe senkt oder wie ein
scharfzähniges Tier, das seine Zähne weißt.
Für einen Menschen aber
ziemt es sich, mit seinen Fähigkeiten nie zu prahlen oder darin mit
anderen zu wetteifern. Es ist überdies etwas sehr Übles, andere
übertreffen zu wollen.
Wenn Leute von hohem Rang, großem Talent oder
mit berühmten Ahnen glauben, sie seien aus diesem Grunde anderen
überlegen, so begehen sie, mögen sie ihre Überzeugung auch nicht offen
äußern, in ihrem Herzen einen schweren Irrtum. Sie sollten sich eher
bemühen, sich zu beherrschen und ihre Vorzüge zu vergessen, denn gerade
diese Überheblichkeit sieht töricht aus, bewirkt, dass die Mitmenschen
allerlei beanstanden und fordert das Unglück heraus.
Ein Mann, der
sein Fach wirklich versteht, ist sich seiner Mängel selber deutlich
bewusst und aus diesem Grunde nie mit sich selbst zufrieden. Er wird
sich seiner Fähigkeiten niemals rühmen. Verfügt ein bejahrter Mann auf
irgendeinem Gebiet über bedeutendes Wissen und fragen sich seine
Zeitgenossen besorgt, wen sie nach seinem Tod wohl um Rat angehen
könnten, so darf er sich wohl sagen, er lebe, gewissermaßen zur
Rechtfertigung aller seiner Altersgenossen, nicht umsonst. Aber es
erscheint mir doch etwas kläglich, wenn er sich wie in seiner Jugendzeit
immer weiter abmüht und sich nicht die geringste Muße gönnt. Er sollte
eher dann und wann sagen: "Ich habe das ganz vergessen".
Bietet
jedoch einer, der die allermeisten Dinge dieser Welt gut kennt, sein
Wissen jedermann ohne Zögern an, so urteilen die Leute meist, mit seinen
Fähigkeiten sei es wohl gar nicht so weit her und es könnte ja auch
sein, dass er sich einmal irre. Fügt er jedoch bescheiden hinzu, so
genau wisse er es freilich nicht, so sind die Zuhörer meist sofort
überzeugt, dass er in seinem Fach ein Meister sei. Spricht er aber auch
über Dinge, die er nicht versteht, mit solch kämpferischer
Überheblichkeit, dass niemand einen Widerspruch wagt, so ist es sehr
jämmerlich, weil die Zuhörer gefügig weiterlauschen, obgleich sie ihm
gar nicht glauben.
Gute Nacht!
Donnerstag, 25. Juni 2015
Mittwoch, 17. Juni 2015
Nur zwei Dinge
von Gottfried Benn
Durch so viele Formen geschritten,Gute Nacht!
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?
Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage-
dein fernbestimmtes: Du mußt.
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.
Montag, 8. Juni 2015
Auf der Schulbank
von Albrecht Goes
"Den bösen Tag nimm auch für gut": es kann nicht gemeint sein, dass wir uns in eine unwahrhaftige Schönfärberei, in einen Glückskrampf hineinschwingen sollen - das Schwere ist schwer, und das Rätselvolle bleibt rätselvoll, und Tränen sind erlaubt; nur dies ist gemeint: begreif: du sitzt nicht im Zeugnisconvent, sondern - auf der Schulbank.
Auf der Schulbank - und das heißt: es geht weiter. Du wirst dein Heute nicht ohne dein Gestern leben können, du wirst in deinem Heute mit deinem Gestern leben. Aber weil es weitergeht, wird in jedem Tag auch etwas vom Erstaunen sein, als erführst du's zum erstenmal - und in jedem auch etwas wie Anlass zur Dankbarkeit, wie man im Abschiednehmen dankt, und es ist ja auch Abschied: denn diesen Tag, ja - diesen Tag lebst du zum letztenmal.
Gute Nacht!
"Den bösen Tag nimm auch für gut": es kann nicht gemeint sein, dass wir uns in eine unwahrhaftige Schönfärberei, in einen Glückskrampf hineinschwingen sollen - das Schwere ist schwer, und das Rätselvolle bleibt rätselvoll, und Tränen sind erlaubt; nur dies ist gemeint: begreif: du sitzt nicht im Zeugnisconvent, sondern - auf der Schulbank.
Auf der Schulbank - und das heißt: es geht weiter. Du wirst dein Heute nicht ohne dein Gestern leben können, du wirst in deinem Heute mit deinem Gestern leben. Aber weil es weitergeht, wird in jedem Tag auch etwas vom Erstaunen sein, als erführst du's zum erstenmal - und in jedem auch etwas wie Anlass zur Dankbarkeit, wie man im Abschiednehmen dankt, und es ist ja auch Abschied: denn diesen Tag, ja - diesen Tag lebst du zum letztenmal.
Gute Nacht!
Abonnieren
Posts (Atom)