von Erasmus von Rotterdam
Aber wir wollen nun die Annehmlichkeiten unter die Lupe nehmen, die das Geld verschafft, wie man so glaubt.
Zunächst
nimmt nach der einhelligen Meinung der heidnischen Philosophen unter
den nützlichen Gütern der Reichtum die letzte Stelle ein, und wenn nach
der Einteilung Epiktets außer der Tugend der Seele alles andere
außerhalb des Menschen liegt, dann liegt nichts so außer uns als das
Geld, und nichts bringt so geringfügigen Vorteil mit sich. Wenn du ganz
allein alles Gold und alle Edelsteine besäßest, wäre dadurch dein
Charakter auch nur um ein Haar besser, wärst du klüger und gebildeter?
Wäre es um deine Gesundheit besser bestellt, würde es dich kräftiger, schöner, jünger machen?
»Aber
das Geld verschafft Genüsse.« Gewiß; jedoch solche, die zum Tod führen.
»Aber es erwirbt Ehre.« Jedoch was für Ehre? Doch wohl eine solche, die
diejenigen fälschlich spenden, die nur Törichtes bewundern und deren
Lob fast einem Tadel gleichkommt. Wahre Ehre ist es, von denen gelobt zu werden, die Lob verdienen; höchste Ehre ist es, Christus
wohlzugefallen. Wahre Ehre ist nicht eine Auszeichnung für Geld, sondern
für die Tugend. Es fällt dir Geld zu, der Pöbel bewundert dich: Du
Narr, er bewundert deine Gewänder, nicht dich. Warum steigst du nicht zu
dir selbst herab und betrachtest die jämmerliche Armut deiner Seele?
Würde der große Haufe sie sehen, er würde dich für so bedauernswert
halten, wie er dich nun glücklich preist.
»Aber Geld verschafft
Freunde.« Zugegeben. Aber falsche Freunde, und es erwirbt sie nicht dir,
sondern ihnen selbst. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist der Reiche
am allerunglücklichsten, weil er die Freunde nicht zu erkennen vermag.
Der eine haßt ihn in seinem Busen als geizig, der andere beneidet ihn,
weil er reicher ist, ein Dritter hat nur sich selbst im Auge, er spendet
ihm Beifall und lächelt ihm zu, um von ihm zehren zu können. Wer ihn
noch so sehr ins Gesicht liebt, der wünscht ihm doch einen frühzeitigen
Tod. Niemand liebt ihn so, daß er ihm tot nicht lieber wäre als
lebendig. Niemand ist mit ihm so vertraut, daß er die Wahrheit von ihm
zu hören bekäme.
Mag einer einen Reichen auch noch so aufrichtig lieben, dieser muß doch jeden beargwöhnen. Alle muß er für Aasgeier halten, die
auf seinen Leichnam lauern, alle für zudringliche Fliegen, die um seine
Vorräte herumschwirren. Was immer also das Geld an Vorteilen mit sich
zu bringen scheint, das ist übertüncht, schemenhaft und voller
Blendwerk.
Zumeist bringt Reichtum wahre Übel und benimmt die wahren
Güter. Wenn du Soll und Haben wohl gegeneinander abwägst, dann wirst du
finden, daß Reichtum niemals solchen Vorteil bringt, daß er nicht weit
größeren Nachteil im Gefolge hätte. Mit welch jämmerlichen Plackereien
muß man ihn sich erwerben, unter welchen Gefahren und mit welch großer
Unruhe sein Sklave sein, mit welch großem Schmerz verliert man ihn! Aus
diesem Grund nennt Christus den Reichtum die Dornen, die jegliche
Seelenruhe, das Süßeste, was es für den Menschen gibt, mit tausend
Sorgen zerfleischen. Nie wird der Durst nach ihm gestillt, sondern mehr
und mehr reizt es ihn an. Unaufhaltsam treibt er in jegliches
Verbrechen. Laß dir nicht betrügerisch schmeicheln, indem du sagst:
Nichts hindert daran, zugleich reich und fromm zu sein.
Denke daran,
was die Wahrheit gesagt hat: Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein
Nadelöhr hindurchgeht, als daß ein Reicher in das Himmelreich eingehe.
Durchaus
wahr ist auch jener Ausspruch des heiligen Hieronymus: Ein Reicher muß
entweder Herr oder Erbe des ungerechten Mammons sein. Beträchtlichen
Reichtum erwirbt oder erhält man nie ohne Sünde. Bedenke, daß er dir
weit größere Schätze raubt.
Gute Nacht!