von Michel de Montaigne
Durch
eben diese eitle Einbildung macht er¹
sich Gott gleich, legt sich
göttliche Eigenschaften bei, sondert sich selbst von dem Haufen der
andern Geschöpfe ab, schneidet den Tieren, seinen Mitbrüdern und
Gesellen, ihren Teil zu, und gibt ihnen so viel Vermögen und Kräfte, als
ihm gutdünkt. Wie, erkennt er denn durch die Stärke seines Verstandes
die innerlichen und verborgenen Regungen der Tiere? Aus was für einer
Vergleichung zwischen uns und ihnen folgert er dann die Dummheit, die er
ihnen beilegt?
Wer weiß, wenn ich mit meiner Katze spiele, ob sie sich
die Zeit nicht mehr mit mir vertreibt als ich mir dieselbe mit ihr
vertreibe? Wir treiben wechselsweise miteinander Possen. Gleichwie ich
nach Gefallen anfangen oder aufhören kann: so kann sie es auch.
Plato zählt in seiner Abbildung der güldenen Zeit unter dem Saturn den
Umgang der Menschen mit den Tieren, bei welchen sie sich erkundigten,
belehren ließen, und jeder Art ihre wahre Eigenschaften und Charakter
erfuhren, mit unter die hauptsächlichsten Vorzüge der damaligen
Menschen: weil sie auf diese Art eine sehr vollkommene Erkenntnis und
Klugheit erlangten, und daher ein ungemein glücklicher Leben führten
als wir zu führen im Stande sind. Brauchen wir einen besseren Beweis von
der menschlichen Unverschämtheit in Ansehung der Tiere? Dieser große
Schriftsteller hat dafür gehalten, dass die Natur meistenteils bei der
ihnen erteilten Leibesbildung bloß auf die gewöhnlichen Vorbedeutungen
gesehen habe, die man zu seiner Zeit darinnen suchte. Warum liegt der
Fehler, welcher den Umgang zwischen uns und ihnen hindert, nicht eben sowohl an uns als an ihnen?
Es ist noch nicht ausgemacht, an wem der
Fehler liegt, dass wir einander nicht verstehen: denn wir verstehen sie
eben so wenig als sie uns verstehen. Sie können uns aus eben dem Grunde
für unvernünftig halten, aus welchem wir sie dafür halten. Es ist kein
großes Wunder, wenn wir sie nicht verstehen. Wir verstehen ja auch die
Biscayer und die Troglodyten nicht. Indessen haben sich doch einige
sie zu verstehen gerühmt, als Apollonius von Thyana, Melampus, Tiresias, Thales und andere. Und wenn, wie die Erdbeschreiber
berichten, gewisse Völker einen Hund zu ihrem Könige machen: so
müssen sie doch wohl seine Stimme und seine Bewegungen zu verstehen
glauben.
Gute Nacht!
¹der Mensch
Sonntag, 19. Januar 2014
Sonntag, 12. Januar 2014
Der Adler und der Uhu
von Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gute Nacht!
König Adler hatt' einmal
Einen Uhu zum Minister:
»Lieber Alter«, fragt' er ihn,
»Welcher Meinung ist Er:
Dulden wir die Nachtigall,
Die nichts kann, als singen?«
»Jeden, welcher sonst nichts kann,
Rath' ich umzubringen!«
Diesem Bluthrath, ausgeführt,
Folgte dumpfes Aechzen,
Und im Lande hörte man
Nur noch Raben krächzen!
Gute Nacht!
Sonntag, 5. Januar 2014
Lisbon revisited
von Fernando Pessoa
Gute Nacht!
Nein: ich will nichts.
Ich sagte schon: ich will nichts.
Kommt mir nur nicht mit Schlußfolgerungen!
Die einzige Schlußfolgerung heißt sterben.
Verschont mich mit allen Kunstdoktrinen!
Sprecht mir nicht von Moral!
Schafft mir die Metaphysik fort!
Preist mir nicht aufgebaute Systeme, zählt mir nicht die Eroberungen
der Wissenschaft auf! (der Wissenschaft, o mein Gott, der Wissenschaft!) —
der Wissenschaft und der Künste und der modernen Zivilisation!
Was tat ich den Göttern allen zu Leide?
Wenn sie die Wahrheit besitzen, was kümmert's mich?
Ich bin ein Techniker, aber ich habe Technik nur in der Technik.
Im übrigen bin ich verrückt und bin es mit vollem Recht.
Mit vollem Recht, habt ihr verstanden?
Laßt mich um Himmels Willen in Ruhe!
Gute Nacht!
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