Samstag, 9. Juli 2016

Ode an die Katze

von Pablo Neruda

Unvollkommen
waren die Tiere
lange Schwänze, triste
Häupter.
Allmählich
nahmen sie sich zusammen,
wurden zur Landschaft,
bekamen Tupfen, Grazie, Flügel.
Die Katze,
alleine die Katze
trat gleich vollkommen auf
die Nase erhoben
war von Geburt an völlig fertig:
Sie läuft allein und weiß genau, was sie will.

Der Mensch möchte Fisch sein und Vogel,
die Schlange hätte gerne Schwingen,
der Hund ist ein fehlgeleiteter Löwe,
der Ingenieur wäre lieber Dichter,
die Fliege übt den Flug der Schwalbe,
der Dichter eifert nach der Fliege,
nur die Katze
will nichts als Katze sein,
und jede Katze ist Katze
vom Bart bis zum Schwanz,
von der Vorahnung zur lebendigen Ratte,
von der Nacht bis zu den goldenen Augen.

Nichts Ganzes
gleicht ihr,
weder Mond noch Blüte
sind
so wohlgeordnet:
Sie ist ein Eines
wie Sonne und Topasstein,
und ihr geschmeidig gestrichelter Umriß
ist fest und fein gezogen
wie die Buglinie eines Schiffes.
Ihre gelben Augen
lassen
nur einen Schlitz frei,
damit die Nacht ihr Kleingeld hineinwirft.

O kleiner
Kaiser ohne Weltreich,
Eroberer du ohne Heimat,
winziger Salontiger, Bräutigam,
Pascha im Himmel
liebeshungriger Dächer,
jaulst nach dem Sturmwind
der Liebe
bei jedem Wetter,
wenn du auftrittst
und setzt
vier weiche Pfoten
auf den Boden,
witternd,
allem mißtrauend,
was erdgebunden,
denn unrein
ist alles
dem makellosen Fuß der Katze.

O ungebundenes Raubtier
des Hauses, Nachtspur
hochmütig,
Turnerin, träge
und unnahbar,
abgrundtiefe Katze,
Geheimdienst
in den Zimmern,
Hoheitszeichen
lange schon
verschwundenen Samtes,
wahrscheinlich ist
kein Rätsel
an deinem Benehmen,
vielleicht bist du kein Geheimnis,
jedermann kennt dich, du gehörst
dem geheimnislosesten der Anwohner,
vielleicht dünken sich alle,
wähnen sich Herren,
Besitzer, Onkel
von Katzen, Weggefährten,
Kollegen,
Lehrlinge und Freunde
ihrer Katze.

Ich nicht.
Ich spiele nicht mit.
Ich kenne die Katze nicht.
Alles kenn ich, das Leben und seine vielen Inseln,
das Meer, die unzählbare Großstadt,
die Botanik,
die Blütenbestäubung samt ihrer Irrwegen,
das Mal und Minus der Mathematik,
der Welt vulkanische Trichter,
die irreale Schale des Krokodils,
des Feuerwehrmanns verkannte Güte,
des Priesters blauen Atavismus,
nur eine Katze kann ich nicht enträtseln.
Meine Vernunft prallt ab an ihrem Gleichmut,
in ihren Augen stehen goldne Ziffern.
Gute Nacht!

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