von Friedrich Schiller
Drei Worte hört man, bedeutungschwer,
Im Munde der Guten und Besten.
Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer,
Sie können nicht helfen und trösten.
Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht,
So lang er die Schatten zu haschen sucht.
So lang er glaubt an die goldene Zeit,
Wo das Rechte, das Gute wird siegen -
Das Rechte, das Gute führt ewig Streit,
Nie wird der Feind ihm erliegen,
Und erstickst du ihn nicht in den Lüften frei,
Stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu.
So lang er glaubt, daß das buhlende Glück
Sich dem Edeln vereinigen werde -
Dem Schlechten folgt es mit Liebesblick;
Nicht dem Guten gehöret die Erde,
Er ist ein Fremdling, er wandert aus
Und suchet ein unvergänglich Haus.
So lang er glaubt, daß dem ird'schen Verstand
Die Wahrheit je wird erscheinen -
Ihren Schleier hebt keine sterbliche Hand;
Wir können nur rathen und meinen.
Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort,
Doch der freie wandelt im Sturme fort.
Drum, edle Seele, entreiß dich dem Wahn
Und den himmlischen Glauben bewahre!
Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn,
Es ist dennoch das Schöne, das Wahre!
Es ist nicht draußen, da sucht es der Thor;
Es ist in dir, du bringst es ewig hervor.
Gute Nacht!
von Erich Fromm
Kann man Liebe haben? Wenn man das
könnte, wäre Liebe ein Ding, eine Substanz, mithin etwas, was man haben
und besitzen kann. Die Wahrheit ist, dass es kein solches Ding wie
"Liebe" gibt. "Liebe" ist eine Abstraktion; vielleicht eine Göttin oder
ein fremdes Wesen, obwohl niemand je diese Göttin gesehen hat. In
Wirklichkeit gibt es nur den Akt des Liebens. Lieben ist ein produktives
Tätigsein, es impliziert, für jemanden (oder etwas) zu sorgen, ihn zu
kennen, auf ihn einzugehen, ihn zu bestätigen, sich an ihm zu erfreuen -
sei es ein Mensch, ein Baum, ein Bild, eine Idee. Es bedeutet, ihn
(sie, es) zum Leben zu erwecken, seine Lebendigkeit zu steigern. Es ist
ein Prozess, der einen erneuert und wachsen lässt. Wird Liebe aber in
der Weise des Habens erlebt, so bedeutet dies, das Objekt, das man
"liebt", einzuschränken, gefangen zu nehmen oder zu kontrollieren. Eine
solche Liebe ist erwürgend, lähmend, erstickend, tötend statt belebend.
Was als Liebe bezeichnet wird, ist meist ein Missbrauch des Wortes, um
zu verschleiern, dass in Wirklichkeit nicht geliebt wird.
Gute Nacht!
von Theodor Storm
Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen,alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber, Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche -
Die wollte von den sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! - Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig drein sah,
Sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
ich preis mich selbst und meine Menschlichkeit. -
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! - Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar - nein, es ist unaussprechlich,
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzem Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon -
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfünfzig Katzen!
Gute Nacht!
von Arthur Schopenhauer
Alle Befriedigung, oder
was man gemeinhin Glück nennt, ist eigentlich und wesentlich immer nur
negativ und durchaus nie positiv. Es ist nicht eine ursprünglich und von
selbst auf uns kommende Beglückung, sondern muß immer die Befriedigung
eines Wunsches seyn. Denn Wunsch, d. h. Mangel, ist die vorhergehende
Bedingung jedes Genusses. Mit der Befriedigung hört aber der Wunsch und
folglich der Genuss auf. Daher kann die Befriedigung oder Beglückung nie
mehr seyn, als die Befreiung von einem Schmerz, von einer Noth: denn
dahin gehört nicht nur jedes wirkliche, offenbare Leiden, sondern auch
jeder Wunsch, dessen Importunität unsere Ruhe stört, ja sogar auch die
ertödtende Langeweile, die uns das Daseyn zur Last macht. – Nun aber ist
es so schwer, irgend etwas zu erreichen und durchzusetzen: jedem
Vorhaben stehen Schwierigkeiten und Bemühungen ohne Ende entgegen, und
bei jedem Schritt häufen sich die Hindernisse. Wann aber endlich Alles
überwunden und erlangt ist, so kann doch nie etwas Anderes gewonnen
seyn, als daß man von irgend einem Leiden, oder einem Wunsche, befreit
ist, folglich nur sich so befindet, wie vor dessen Eintritt. –
Unmittelbar gegeben ist uns immer nur der Mangel, d. h. der Schmerz. Die
Befriedigung aber und den Genuss können wir nur mittelbar erkennen,
durch Erinnerung an das vorhergegangene Leiden und Entbehren, welches
bei seinem Eintritt aufhörte. Daher kommt es, daß wir der Güter und
Vortheile, die wir wirklich besitzen, gar nicht recht inne werden, noch
sie schätzen, sondern nicht anders meynen, als eben es müsse so seyn:
denn sie beglücken immer nur negativ, Leiden abhaltend. Erst nachdem wir
sie verloren haben, wird uns ihr Werth fühlbar: denn der Mangel, das
Entbehren, das Leiden ist das Positive, sich unmittelbar Ankündigende.
Daher auch freut uns die Erinnerung überstandener Noth, Krankheit,
Mangel u.dgl., weil solche das einzige Mittel die gegenwärtigen Güter zu
genießen ist. Auch ist nicht zu leugnen, daß in dieser Hinsicht und auf
diesem Standpunkt des Egoismus, der die Form des Lebenwollens ist, der
Anblick oder die Schilderung fremder Leiden uns auf eben jenem Wege
Befriedigung und Genuss giebt.
Gute Nacht!
von Günter Bruno Fuchs
Jestern
kam eena klingeln
von Tür zu
Tür. Hat nuscht
jesagt. Kein
Ton. Hat so schräg
sein Kopf
jehalten, war
still. Hat nuscht
jesagt,
als wenn der
von jestern
war
und nur mal
rinnkieken wollte,
wies sich so
lebt.
Gute Nacht!
von Klabund
Ich leide an kalten Füßen. Ob dieses Gebrechen in meinen verkrüppelten
Zehen seinen Ursprung hat, weiß ich nicht. Um es des Nachts zu beheben,
bedarf es einer Wärmflasche, die meinen Füßen die lästige Kälte entzieht
und sie mit wohliger Wärme wie mit dicker Wolle umhüllt. Leicht sinke
ich in tönende Träume. Ich wandle auf heißem Wüstensande. Die Palmen
stehen wie Staubwedel am Wege. Kamele trotten, schwer beladen mit
Datteln und Feigen, durch meinen dämmernden Blick. Araber in weißem
Burnus, silberbeschlagene Pistolen und Gewehre schwenkend, galoppieren
auf edlen Pferden an mir vorüber. Auf Gebetteppichen knien die
Gläubigen, die Blicke fromm nach Mekka gewandt.
Neckische Mädchen,
völlig nackt, werfen Perlen schwarzer Blicke nach mir. Die Sonne steht
hoch. Die Hitze wird immer unerträglicher. Alle Dinge haben ihren
Schatten verloren. Auch der meine ist wie ein dünner Quell im Wüstensand versickert. Der Schweiß bricht mir aus der Stirn.
Meine Sohlen brennen. Sandflöhe beißen sich zwischen meine verkrüppelten
Zehen fest. Mit Mühe und Not erreiche ich die schützende Oase. Bäume
fächeln plötzlich Kühlung, tausend Schatten laufen ding- und ursachlos
über den Weg, und herrlich er wünscht rieselt ein lauwarmer Bach mir
über meine nackten Füße... denn die Wärmflasche ist ausgelaufen. Ich
liege in einem nassen Bett, und auf das Dienstmädchen fluchend, die den
Verschluß der Wärmflasche zu lose angeschraubt, halb schon wieder in
sanftem Schlaf, beginne ich vom Eismeer zu träumen.
Gute Nacht!