von Wilhelm Busch
Der Mensch, durchtrieben und gescheit,
Bemerkte schon seit alter Zeit,
Daß ihm hienieden allerlei
Verdrießlich und zuwider sei.
Die Freude flieht auf allen Wegen;
Der Ärger kommt uns gern entgegen.
Gar mancher schleicht betrübt umher;
Sein Knopfloch ist so öd und leer.
Für manchen hat ein Mädchen Reiz,
Nur bleibt die Liebe seinerseits.
Doch gibt's noch mehr Verdrießlichkeiten.
Zum Beispiel läßt sich nicht bestreiten:
Die Sorge, wie man Nahrung findet,
Ist häufig nicht so unbegründet.
Kommt einer dann und fragt: »Wie geht's?«
Steht man gewöhnlich oder stets
Gewissermaßen peinlich da,
Indem man spricht: »Nun, so lala!«
Und nur der Heuchler lacht vergnüglich
Und gibt zur Antwort: »Ei, vorzüglich!«
Im Durchschnitt ist man kummervoll
Und weiß nicht, was man machen soll. -
Gute Nacht!
von Tom Hodgkinson
Von all den kostenlosen
Vergnügungen, die uns zur Verfügung stehen, ist das Nickerchen die
einfachste und befriedigendste. Traditionell zur Mittagszeit oder der
sechsten Stunde des Tages gehalten – daher der Name Siesta –, um auf
diese Weise die Heimsuchung durch die Mittagsdämone zu verdösen, ist das
Schläfchen nach dem Mittagessen für Menschen, die in weniger
arbeitsbesessenen Ländern leben, alltägliche Wirklichkeit.
Es ist
eine kriminelle Schande, dass man in Nordeuropa und den Vereinigten
Staaten sein Nickerchen heimlich und voller Gewissensbisse machen muss,
wo es doch die natürlichste Sache der Welt ist. Es ist geradezu
verrückt, acht Stunden am Stück oder mehr zu arbeiten, ohne
zwischendurch zu schlafen.
Wir sollten stets ein Kissen mitnehmen,
egal wohin wir gehen. Suchen wir uns eine stille Ecke zum Dösen, in der
Kirche oder im Park. Ein Nickerchen am Tag hat die gleiche Wirkung wie
eine Million Vitamintabletten und Nahrungsergänzungsmittel. Sanfter,
süßer, wohltuender Schlummer – Balsam für die müde Seele!
Gute Nacht!
von Heinrich Heine
Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.
Gute Nacht!
von Blaise Pascal
Die Menschen haben
einen geheimen Trieb, der sie dazu bringt das Vergnügen und die
Beschäftigung außen zu suchen, der aus dem Gefühl ihres beständigen
Elends hervorgeht. Und sie haben einen andern Geheimen Trieb, der von
der Größe ihrer ersten Natur übrig ist, der ihnen zu erkennen gibt: das
Glück sei in Wahrheit nur in der Ruhe. Und aus diesen beiden
widerstreitenden Trieben bildet sich in ihnen ein verworrner Lebensplan,
der sich ihrem Blick in der Tiefe ihrer Seele verbirgt, der sie
veranlaßt durch unruhige Geschäftigkeit nach der Ruhe zu streben und
sich immer ein zu bilden: die Befriedigung, die sie nicht haben, werde
kommen, wenn sie einige Schwierigkeiten, die sie vor Augen sehen,
übersteigen und sich dadurch die Pforte zur Ruhe eröffnen können.
So
verfließt das ganze Leben. Man sucht die Ruhe, indem man einige
Hindernisse bekämpft und wenn man sie überstiegen hat, wird die Ruhe
unerträglich. Denn man denkt entweder an die Uebel, die man hat, oder an
die, von welchen man bedroht wird. Und wenn man sich auch von allen
Seiten sicher sähe, so würde doch die Langeweile nicht säumen in eigner
Kraft aus dem Grund des Herzens, wo sie natürliche Wurzeln hat, hervor
zu kommen und den Geist mit ihrem Gift zu erfüllen.
[...] Ich tadle
gleicher Weise so wohl die, welche den Entschluß fassen den Menschen zu
loben als die, welche sich entschließen ihn zu tadeln als auch die,
welche sich entschließen ihn zu zerstreuen und ich kann nur die suchen
mit Seufzen.
Gute Nacht!
von Erich Kästner
Nun hebt das Jahr die Sense hoch
und mäht die Sommertage wie ein Bauer.
Wer sät, muß mähen.
Und wer mäht, muß säen.
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.
Stockrosen stehen hinterm Zaun
in ihren alten, brüchigseidnen Trachten.
Die Sonnenblumen, üppig, blond und braun,
mit Schleiern vorm Gesicht, schaun aus wie Frau'n,
die eine Reise in die Hauptstadt machten.
Wann reisten sie? Bei Tage kaum.
Stets leuchteten sie golden am Stakete.
Wann reisten sie? Vielleicht im Traum?
Nachts, als der Duft vom Lindenbaum
an ihnen abschiedssüß vorüberwehte?
In Büchern liest man groß und breit,
selbst das Unendliche sei nicht unendlich.
Man dreht und wendet Raum und Zeit.
Man ist gescheiter als gescheit, -
das Unverständliche bleibt unverständlich.
Ein Erntewagen schwankt durchs Feld.
Im Garten riecht's nach Minze und Kamille.
Man sieht die Hitze. Und man hört die Stille.
Wie klein ist heut die ganze Welt!
Wie groß und grenzenlos ist die Idylle ...
Nichts bleibt, mein Herz. Bald sagt der Tag Gutnacht.
Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht,
ins Irgendwo, wie Tränen ohne Trauer.
Dann wünsche Deinen Wunsch, doch gib gut acht!
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.
Gute Nacht!