Freitag, 29. März 2013

Ode an die Faulheit

von Pablo Neruda

Gestern fühlte ich, die Ode
will nicht aus dem Boden spriessen.
Es war höchste Zeit, sie hätte
zumindest
ein grünes Blatt zeigen müssen.
Ich wühlte die Erde auf: "Steig empor,
Schwester Ode",
sprach ich zu ihr,
"ich habe dich versprochen,
hab keine Furcht, ich werde dich nicht quälen,
vierblättrige Ode,
vierhändige Ode,
Tee wirst Du trinken mit mir.
Steig auf,
ich werde dich krönen unter den Oden alle,
wir werden zusammen ans Ufer
des Meeres auf dem Zweirad fahren."
Fruchtlos war's .
Da zeigte sich die Faulheit
hoch oben in den Pinien,
nackt,
schläfrig mit geblendeten Augen
entführte sie mich,
zeigte mir am Gestade
kleine zerbrochene Stückchen
ozeanischer Stoffe,
Hölzer, Algen, Steine,
Federn von Meeresvögeln.
Ich suchte und fand doch keine
gelben Achate.
Das Meer,
Türme niederreissend,
meiner Heimat Küsten
verheerend,
unaufhörlich Schaumkatastrophen
vor sich hertreibend,
erfüllte den Weltraum.
Einsam am Ufer,
ein Lichtstrahl öffnete
eine Blumenkrone.
Ich sah die silbernen Sturmschwalben kreuzen
und wie schwarze Kreuze
an die Felsen geschmiedet
die Kormorane.
Befreite eine Biene,
die im Spinnennetz mit dem Tode rang,
steckte ein Steinchen
in die Tasche,
sanft fühlte es sich an, ganz sanft
wie eine Vogelbrust,
indes an der Küste miteinander
Sonne und Nebel kämpften,
den ganzen Nachmittag lang.
Zuweilen sog sich der Nebel voll mit Licht
wie ein Topas,
dann wieder fiel
ein feuchter Sonnenstrahl
nieder, gelbe Tropfen sprühend.
Am Abend,
an meine Pflicht,
die flüchtige, die Ode denkend,
zog ich am Feuer
meine Schuhe aus,
wischte den Sand von ihnen,
und sogleich sank ich in Schlaf.

Gute Nacht!

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