von Dagmar Nick
Ich will nicht deine Träume stören.
Die stummen Nächte bleiben dein.
Ich will nur deine Atemzüge hören
Und bei dir sein.
Und wachen, weil des Mondes Schimmer
Dein Antlitz ganz veränderte,
Weil kaltes Licht das fremdgewordene Zimmer
Umränderte.
Und warten, bis ein Stern zersplittert
Und hinter deine Stirne fällt.
Erwache nicht: es ist mein Herz, das zittert,
Weil es dich hält.
Gute Nacht!
von Ernst Robert Curtius
Ein gebildeter Mensch ist der, der ein gewisses Maß an Kenntnissen
besitzt. Dieses Mindestmaß wird bestimmt durch soziale Konvention und
wird darum mit den geschichtlichen Zeitabschnitten wechseln. Im heutigen
deutschen Bürgertum trifft man vielfach auf die etwas verschwommene
Ansicht, dass dieses Mindestmaß etwa mit dem zusammenfalle, was in der
Reifeprüfung der höheren Schulen verlangt wird. Ein gebildeter Mensch
ist man angeblich, wenn man sein Abitur gemacht hat oder wenn man auf
anderem Wege, etwa auf dem Wege über die Berufsschulung handwerklicher,
kaufmännischer oder sonstiger Art Universitätsreife erworben hat.
Andererseits aber wissen wir sehr wohl, dass man alle diese
Erkenntnisse, ja noch viel mehr haben und doch in tieferem Sinne ein
ungebildeter Mensch sein kann, ein Mensch, der die Teile in der Hand
hat, dem aber leider das geistige Band fehlt. Was vermissen wir an ihm?
Wir vermissen nicht ein bestimmtes Maß an Wissen und Kenntnissen,
sondern eine bestimmte Haltung der Persönlichkeit. Wir vermissen eine
gestalthafte Einheit seiner Lebensäußerungen: also dasjenige, was in den
großen Epochen der Kunst als Gesamtstil einer Zeit bezeichnet wird.
Daraus dürfen wir schließen, dass Bildung, wenn wir das Wort vom
einzelnen Menschen gebrauchen, eine bestimmte Gestaltqualität bedeutet;
dass sie in diesem Sinne von dem Besitz an Kenntnissen weitgehend
unabhängig ist, dass sie unmittelbar das Sein der Person betrifft.
Gute Nacht!
von Gerrit Engelke
Fenster schließen, glimmern stille,
Häuslein rücken Dach an Dach
Himmel stehen feiernd stille,
Mond wird Silberfrucht und wach.
Müder Leib schläft in der Stille,
Herz schlägt alle Stunden nach,
Lebt für sich durch Schlaf und Stille –
Wohin denn? wozu? aus wessen Wille?
Lautlos, langsam fallen Wand und Dach.
Gute Nacht!
von Hermann Hesse
Auf eine menschenwürdige Art alt
zu werden und jeweils die unserem Alter zukommende Haltung oder
Weisheit zu haben, ist eine schwere Kunst; meistens sind wir mit der
Seele dem Körper gegenüber entweder voraus oder zurück, und zu den
Korrekturen dieser Differenzen gehören jene Erschütterungen des inneren
Lebensgefühls, jenes Zittern und Bangen an den Wurzeln, die uns eh und
je bei Lebenseinschnitten und Krankheiten befallen. Mir scheint, man
darf ihnen gegenüber wohl klein sein und sich klein fühlen, wie Kinder
durch Weinen und Schwäche hindurch am besten das Gleichgewicht nach
einer Störung des Lebens wieder finden.
Gute Nacht!
von Heinrich Hoffmann
Fünf Hasen, die saßen beisammen dicht,
Es macht ein jeder ein traurig Gesicht.
Sie jammern und weinen:
Die Sonn' will nicht scheinen!
Bei so vielem Regen
Wie kann man da legen
Den Kindern das Ei?
O weih, o weih!
Da sagte der König:
So schweigt doch ein wenig!
Lasst weinen und Sorgen
Wir legen sie morgen!
Gute Nacht!