Sonntag, 26. Oktober 2014

Über die Zeit

von Augustinus
 
Niemals also hat es eine Zeit gegeben, wo du nicht schon etwas geschaffen hattest, weil du ja die Zeit selbst geschaffen hast. Und keine Zeit ist ewig wie du, weil du immerdar derselbe bleibst. Wenn sie aber bliebe und nicht verginge, dann wäre sie keine Zeit. Denn was ist die Zeit? Wer vermöchte dies leicht und in Kürze auseinanderzusetzen. Wer kann nun darüber etwas je sprechen, es auch nur in Gedanken umfassen? Und doch erwähnen wir nichts so häufig und nichts ist als so selbstverständlich als die Zeit. Und wir verstehen es allerdings irgendwie, wenn wir davon sprechen, noch verkennen wir es, wenn wir eine andere von ihr reden hören. Was ist also die Zeit? Wenn mich niemand darnach fragt, weiß ich es, wenn ich es aber einem, der mich fragt, erklären sollte, weiß ich es nicht; mit Zuversicht jedoch kann ich wenigstens sagen, daß ich weiß, daß, wenn nichts verginge, es keine vergangene Zeit gäbe, und wem nichts vorüberginge, es keine zukünftige Zeit gäbe. Jene beiden Zeiten also, Vergangenheit und Zukunft, wie kann man sagen, daß sie sind, wenn die Vergangenheit schon nicht mehr ist und die Zukunft noch nicht ist? Wenn dagegen die Gegenwart immer gegenwärtig wäre und nicht in die Vergangenheit Übergänge, so wäre sie nicht mehr Zeit, sondern Ewigkeit. Wem also die Gegenwart nur darum zur Zeit wird, weil sie in die Vergangenheit übergeht, wie können wir da sagen, daß sie ist und wenn sie deshalb ist, weil sie sofort nicht mehr ist; so daß wir insofern in Wahrheit nur sagen könnten, daß sie eine Zeit ist, weil sie dem Nichtsein zustrebt?

Gute Nacht!

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