von Günther Anders
Wichtigste Folge des aufrechten Ganges ist also: Freiheit der Hand. Ohne diese Freiheit, die die gesamte Humanität des Menschen bedingt (nämlich sein Verhältnis zur Welt, das in "Behandlung" besteht), wäre auch die menschliche Liebe, gleich, ob wir an die tröstende Hand denken oder an die verführende, niemals human.
Keinen
hoffnungsloseren Anblick gibt es, als den von Tieren, denen Körperbau
und Körperhaltung das verwehrt, was ihre Zärtlichkeit verlangt. —
Neulich im Zoo das Pony, das ausgestreckten Halses über den Nacken
seines Zwillings hin- und herkosend, verzweifelt schien, eben weil ihm nicht mehr gegönnt war, als nur anzudeuten, was es meinte.
- Wie tröstlich war es danach, zu den Bären zu kommen, denen aus
unerfindlichen Gründen mehr gewährt ist: Die Bärin hielt ihre zwei
Kleinen in ihren Armen. — Wenn uns der Bär, trotz seiner notorischen
Gefährlichkeit "näher" scheint als Löwe oder Tiger, wenn er uns rührt
wie ein tolpatschiges Kind, so eben, weil er schon beinahe
"frei" ist
für Zärtlichkeiten. Und siehe da: Im Unterschiede zu Löwe oder Tiger
gehört es bereits zu ihm, sich aufzurichten; wenn auch nur halb und
vorübergehend, so als habe er das letzte Examen im aufrechten Gang doch
noch nicht bestehen können. —
Und nun wir.
Gibt es auch nur
eine einzige Liebesgeste ohne den für die Liebe freien Arm? Ohne die
für die Liebe freie Hand? Wo soll man da anfangen? Damit, daß wir uns
schon aus der Entfernung entgegenwinken können? Oder damit, daß wir
einander die Hand reichen oder einander bei den Händen halten können?
Also Nähe und Distanz verbinden können? Denn Hand in Hand, oder Arm in
Arm — das ist ja mehr, mindestens anderes, als nur augenblickliches
Aneinanderdrängen: nämlich Zusammengehörigkeit; Zusammengehörigkeit, die
jeden doch noch als ihn selbst "freiläßt". —Nichts dergleichen habe ich
je bei Tieren gesehen.
Gute Nacht!
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