Donnerstag, 18. Juli 2013

Zerstreuung

von Blaise Pascal

Man belastet den Menschen von Kindheit an mit der Sorge um ihre Ehre, ihre Güter und sogar um das Gut und die Ehre ihrer Verwandten und Freunde. Man überlastet sie mit dem Studium der Sprachen, Wissenschaften, Leibesübungen und Künste. Man bürdet ihnen Geschäfte auf, und tut ihnen dar, dass sie nicht glücklich sein werden, wenn sie nicht durch ihre Betriebsamkeit und ihre Sorgfalt dafür Sorge tragen, dass ihr Vermögen und ihre Ehre und selbst das Vermögen und die Ehre ihrer Freunde in gutem Stande sei, und lässt sie in dem Glauben, dass sie unglücklich werden, wenn ihnen ein einziges von diesen Dingen fehlte. So gibt man ihnen Ämter und Geschäfte, die ihnen zu schaffen machen vom Morgen bis an den Abend.

Das, sagt ihr, sei eine seltsame Art sie glücklich zu machen. Was könnte man Besseres tun, sie unglücklich zu machen? Fragt ihr, was man tun könnte? Man brauchte ihnen nur alle diese Sorgen zu nehmen, denn alsdann würden sie sich selbst sehen und an sich selbst denken, und das eben ist ihnen unerträglich. Auch nachdem sie sich mit so vielen Geschäften beladen, wenn sie noch einige Zeit der Erholung haben, suchen sie auch diese zu verlieren in irgend einem Vergnügen, das sie ganz in Besitz nimmt und sie sich selbst entreißt.

Darum habe ich, wenn ich anfing das mannigfaltige Hin- und Hertreiben der Menschen zu betrachten, wie sie sich den Gefahren und Mühseligkeiten aussetzen, am Hofe, im Kriege, bei der Verfolgung ihrer ehrgeizigen Ansprüche und wie daraus so viele Zwistigkeiten, Leidenschaften, gefährliche und verderbliche Unternehmungen entspringen, wiederholt gesagt, dass alles Unglück des Menschen daher kommt, dass er es nicht versteht, ruhig allein mit sich in einem Zimmer zu bleiben.


Gute Nacht!

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