von Arthur Schopenhauer
Die Ehre hat einen negativen Charakter,
welches sie vom Ruhm unterscheidet, der einen positiven Charakter hat;
sie ist nämlich die Meinung nicht von besonderen Eigenschaften, die bei
uns hinzukommen, sondern von der Regel nach zu erwartenden
Eigenschaften, die uns nicht abgehen. Sie besagt nur, dass wir keine
Ausnahme sind; während der Ruhm besagt, dass wir Ausnahmen sind. Ruhm
muss erst erworben werden, und zwar dadurch dass man Eigenschaften
zeigt, die andere derselben Art nicht haben, dadurch man also
ausgezeichnet ist: wer des Ruhmes ermangelt, der hat ihn nicht verloren,
sondern er hat ihn nicht erworben. Die Ehre hingegen versteht sich von
selbst, und wer keine hat, der hat sie verloren und zwar verliert er sie
durch Taten, und Einer kann sie haben, ohne dass man nachweisen kann,
was er dafür getan hat: nur wird vorausgesetzt, dass er vorkommenden
Falls dieses tun und jenes lassen wird, und es ist hinreichend, dass er
hiervon bis jetzt nicht das Gegenteil bewiesen hat. Darum ist ihr
Charakter negativ, welches sich auch darin zeigt, dass sie viel öfter
beruht auf dem, was wir unterlassen, als auf dem was wir tun und mehr
negative als positive Vorschriften erteilt. Ruhm ist dagegen das
Positive und wird allein durch besondere, bestimmt gegebene Taten (oder
Werke) erworben. Die Ehre betrifft also lauter Eigenschaften, die Jeder
derselben Gattung haben soll, und die sich also von selbst verstehen:
seine Ehre ist die allgemeine Meinung Anderer, dass sie ihm nicht
abgehen, dass er also in dieser Hinsicht keine Ausnahme von der Regel
macht.
Gute Nacht!
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