Freitag, 20. Mai 2016

Ruhm und Ehre

von Arthur Schopenhauer

Die Ehre hat einen negativen Charakter, welches sie vom Ruhm unterscheidet, der einen positiven Charakter hat; sie ist nämlich die Meinung nicht von besonderen Eigenschaften, die bei uns hinzukommen, sondern von der Regel nach zu erwartenden Eigenschaften, die uns nicht abgehen. Sie besagt nur, dass wir keine Ausnahme sind; während der Ruhm besagt, dass wir Ausnahmen sind. Ruhm muss erst erworben werden, und zwar dadurch dass man Eigenschaften zeigt, die andere derselben Art nicht haben, dadurch man also ausgezeichnet ist: wer des Ruhmes ermangelt, der hat ihn nicht verloren, sondern er hat ihn nicht erworben. Die Ehre hingegen versteht sich von selbst, und wer keine hat, der hat sie verloren und zwar verliert er sie durch Taten, und Einer kann sie haben, ohne dass man nachweisen kann, was er dafür getan hat: nur wird vorausgesetzt, dass er vorkommenden Falls dieses tun und jenes lassen wird, und es ist hinreichend, dass er hiervon bis jetzt nicht das Gegenteil bewiesen hat. Darum ist ihr Charakter negativ, welches sich auch darin zeigt, dass sie viel öfter beruht auf dem, was wir unterlassen, als auf dem was wir tun und mehr negative als positive Vorschriften erteilt. Ruhm ist dagegen das Positive und wird allein durch besondere, bestimmt gegebene Taten (oder Werke) erworben. Die Ehre betrifft also lauter Eigenschaften, die Jeder derselben Gattung haben soll, und die sich also von selbst verstehen: seine Ehre ist die allgemeine Meinung Anderer, dass sie ihm nicht abgehen, dass er also in dieser Hinsicht keine Ausnahme von der Regel macht.


Gute Nacht!

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