Freitag, 3. Mai 2013

Das bittersüße eh'lich Leben

von Hans Sachs
 

Gott sei gelobet und geehrt,
Der mir ein frumb Weib hat beschert,
Mit der ich zwei und zwanzig Jahr
Gehaust hab, Gott gab länger gar.

Wiewohl sich in mein ehling Leben
Hat Süß und Saures oft begeben
Gar wohl gemischt von Freud und Leid,
Erst auf, dann ab, ohn Unterscheid.

Sie hat mir nit stets kochet Feigen,
Will schwankweis Dir ein Teil anzeigen.
Sie ist mein Himmel meiner Seel,
Sie ist auch oft mein Pein und Hell,

Sie ist mein Engel auserkoren,
Ist oft mein Fegeteufel woren,
Sie ist mein Wünschelrut und Segen,
Ist oft mein Schauer und Platzregen.

Sie oft mein Mai und Rosenhag,
Ist oft mein Blitz und Donnerschlag.
Mein Frau ist oft mein Schimpf und Scherz.
Sie oft mein Jammer, Angst und Schmerz,

Sie ist mein Wunn und Augenweid,
Ist oft mein Traurn und Herzensleid,
Sie ist mein Freiheit und mein Wahl,
Ist oft mein Gfengnis und Notstall,

Sie ist mein Hoffnung und mein Trost,
Ist oft mein Zweifel, Hitz und Frost.
Mein Frau ist meine Zier und Lust,
Ist oft mein Graun und Suppenwurst,

Ist oft mein Königlicher Sal,
Ist oft mein Krankheit und Spital.
Mein Frau, die hilft mit treulich nähren,
Thut mir auch oft das Mein verzehren,

Mein Frau, die ist mein Schild und Schutz,
Ist oft mein Frevel, Poch und Trutz.
Sie ist mein Fried und Einigkeit
Und oft mein täglich Hebenstreit,

Sie ist mein Fürsprech und Erlediger,
Ist oft mein Ankläger und Prediger.
Mein Frau ist mein getreuer Freund,
Oft worden auch mein größter Feind,

Mein Frau oft mietsam ist und gütig.
Sie ist auch zornig oft und wütig,
Sie mein Tugend und mein Laster,
Sie ist mein Wund und auch mein Pflaster.

Sie ist mein Herzens Aufenthalt
Und machet mich doch grau und alt.

Gute Nacht!

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