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Mittwoch, 14. Mai 2014

Selbstbefreiung durch das Wissen

von Karl Popper
Dass es so etwas wie eine absolute Wahrheit gibt, und dass wir dieser Wahrheit näher kommen können, ist die Grundüberzeugung der Aufklärungsphilosophie, im Gegensatz zum historischen Relativismus der Romantik.
Aber der Wahrheit näher zu kommen ist nicht leicht. Es gibt nur einen Weg, den Weg durch unsere Irrtümer. Nur aus unseren Irrtümern können wir lernen; und nur der wird lernen, der bereit ist, die Irrtümer anderer als Schritte zur Wahrheit zu schätzen; und der nach seinen eigenen Irrtümern sucht, um sich von ihnen zu befreien.
Die Idee der Selbstbefreiung durch das Wissen ist also nicht etwa dasselbe wie die Idee der Naturbeherrschung. Es ist vielmehr die Idee einer geistigen Selbstbefreiung vom Irrtum, vom Irrglauben. Es ist die Idee einer geistigen Selbstbefreiung durch die Kritik an den eigenen Ideen.
Wir sehen hier, dass die Aufklärung den Fanatismus und den fanatischen Glauben nicht aus bloßen Nützlichkeitsgründen verurteilt; auch nicht weil sie hofft, dass wir mit einer nüchterneren Einstellung in der Politik und im praktischen Leben besser weiterkommen. Die Verurteilung des fanatischen Glaubens ist vielmehr eine Folge der Idee einer Wahrheitssuche durch die Kritik unserer Irrtümer. Und diese Selbstkritik und Selbstbefreiung ist nur in einer pluralistischen Atmosphäre möglich, das heißt in einer offenen Gesellschaft, die unsere Irrtümer und viele andere Irrtümer toleriert.
So enthielt die Idee der Selbstbefreiung durch das Wissen, die die Aufklärung vertrat, von Anfang an auch die Idee, dass wir lernen müssen, uns von unseren eigenen Ideen zu distanzieren, statt uns mit unseren Ideen zu identifizieren. Die Erkenntnis von der geistigen Macht der Ideen führt zu der Aufgabe, uns von der geistigen Übermacht falscher Ideen zu befreien. Im Interesse der Wahrheitssuche und der Befreiung vom Irrtum müssen wir uns dazu erziehen, unsere eigenen Ideen ebenso kritisch betrachten zu können wie die Ideen, gegen die wir kämpfen.


Gute Nacht!

Freitag, 5. April 2013

Fixe Ideen

von Peter Altenberg

Wenn ich die Leute in den Sanatorien so Revue passieren lasse --- lauter nette, feine, gescheite, ruhige, anständige Menschen! Was macht es, dass sich einer für einen Kaiser hält und für eine Fürstin. Alle sind ganz normal, bis auf eine kleine, unscheinbare, fixe Idee.
Aber draußen, draußen, im Leben, da ist ein jeder voll von fixen Ideen!
Der eine hat Ehrgeiz, wozu, weshalb?! Der andere will von einer geliebt werden, die ihn nicht ausstehen kann. Einer stirbt vor Eifersucht wegen einer, die es nicht einmal verdiente, dass man sich ihren Namen, viel weniger ihre Adresse merke. Einer hofft ewig begehrenswert zu bleiben, eine ewig taufrisch!
Einer glaubt etwas zu sein, weil eine, die nichts ist und noch weniger, auf ihn „fliegt"! Einer läßt sich ein hellblaues Samtgilet machen mit grünen Glasknöpfen. Einer zahlt einer ein Kalbsfilet mit Spargelspitzen und ist überzeugt, bei ihr eine Eroberung gemacht zu haben. Ein anderer zahlt noch mehr und ist noch überzeugter!
Die begehrten Frauen fühlen sich wie in einem Irrenhaus. Nur die begehrenden Männer nicht. Die sind zu borniert dazu. Die nehmen alles ernst. Eine junge Dame sagte zu mir: „Daß wir die Männer brauchen, das begreife ich! Als idiotische Würzen! Aber wozu sie uns brauchen, das kann ich nicht begreifen!


Gute Nacht!
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