von Karl Popper
Dass es so etwas
wie eine absolute Wahrheit gibt, und dass wir dieser Wahrheit näher
kommen können, ist die Grundüberzeugung der Aufklärungsphilosophie, im
Gegensatz zum historischen Relativismus der Romantik.
Aber der
Wahrheit näher zu kommen ist nicht leicht. Es gibt nur einen Weg, den
Weg durch unsere Irrtümer. Nur aus unseren Irrtümern können wir lernen;
und nur der wird lernen, der bereit ist, die Irrtümer anderer als
Schritte zur Wahrheit zu schätzen; und der nach seinen eigenen Irrtümern
sucht, um sich von ihnen zu befreien.
Die Idee der Selbstbefreiung
durch das Wissen ist also nicht etwa dasselbe wie die Idee der
Naturbeherrschung. Es ist vielmehr die Idee einer geistigen
Selbstbefreiung vom Irrtum, vom Irrglauben. Es ist die Idee einer
geistigen Selbstbefreiung durch die Kritik an den eigenen Ideen.
Wir
sehen hier, dass die Aufklärung den Fanatismus und den fanatischen
Glauben nicht aus bloßen Nützlichkeitsgründen verurteilt; auch nicht
weil sie hofft, dass wir mit einer nüchterneren Einstellung in der
Politik und im praktischen Leben besser weiterkommen. Die Verurteilung
des fanatischen Glaubens ist vielmehr eine Folge der Idee einer
Wahrheitssuche durch die Kritik unserer Irrtümer. Und diese Selbstkritik
und Selbstbefreiung ist nur in einer pluralistischen Atmosphäre möglich, das heißt in einer offenen Gesellschaft, die unsere Irrtümer und viele andere Irrtümer toleriert.
So
enthielt die Idee der Selbstbefreiung durch das Wissen, die die
Aufklärung vertrat, von Anfang an auch die Idee, dass wir lernen müssen,
uns von unseren eigenen Ideen zu distanzieren, statt uns mit unseren
Ideen zu identifizieren. Die Erkenntnis von der geistigen Macht der
Ideen führt zu der Aufgabe, uns von der geistigen Übermacht falscher
Ideen zu befreien. Im Interesse der Wahrheitssuche und der Befreiung vom
Irrtum müssen wir uns dazu erziehen, unsere eigenen Ideen ebenso
kritisch betrachten zu können wie die Ideen, gegen die wir kämpfen.
Gute Nacht!
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Mittwoch, 14. Mai 2014
Freitag, 5. April 2013
Fixe Ideen
von Peter Altenberg
Wenn ich die Leute in den Sanatorien so Revue passieren lasse --- lauter nette, feine, gescheite, ruhige, anständige Menschen! Was macht es, dass sich einer für einen Kaiser hält und für eine Fürstin. Alle sind ganz normal, bis auf eine kleine, unscheinbare, fixe Idee.
Aber draußen, draußen, im Leben, da ist ein jeder voll von fixen Ideen!
Der eine hat Ehrgeiz, wozu, weshalb?! Der andere will von einer geliebt werden, die ihn nicht ausstehen kann. Einer stirbt vor Eifersucht wegen einer, die es nicht einmal verdiente, dass man sich ihren Namen, viel weniger ihre Adresse merke. Einer hofft ewig begehrenswert zu bleiben, eine ewig taufrisch!
Einer glaubt etwas zu sein, weil eine, die nichts ist und noch weniger, auf ihn „fliegt"! Einer läßt sich ein hellblaues Samtgilet machen mit grünen Glasknöpfen. Einer zahlt einer ein Kalbsfilet mit Spargelspitzen und ist überzeugt, bei ihr eine Eroberung gemacht zu haben. Ein anderer zahlt noch mehr und ist noch überzeugter!
Die begehrten Frauen fühlen sich wie in einem Irrenhaus. Nur die begehrenden Männer nicht. Die sind zu borniert dazu. Die nehmen alles ernst. Eine junge Dame sagte zu mir: „Daß wir die Männer brauchen, das begreife ich! Als idiotische Würzen! Aber wozu sie uns brauchen, das kann ich nicht begreifen!
Gute Nacht!
Wenn ich die Leute in den Sanatorien so Revue passieren lasse --- lauter nette, feine, gescheite, ruhige, anständige Menschen! Was macht es, dass sich einer für einen Kaiser hält und für eine Fürstin. Alle sind ganz normal, bis auf eine kleine, unscheinbare, fixe Idee.
Aber draußen, draußen, im Leben, da ist ein jeder voll von fixen Ideen!
Der eine hat Ehrgeiz, wozu, weshalb?! Der andere will von einer geliebt werden, die ihn nicht ausstehen kann. Einer stirbt vor Eifersucht wegen einer, die es nicht einmal verdiente, dass man sich ihren Namen, viel weniger ihre Adresse merke. Einer hofft ewig begehrenswert zu bleiben, eine ewig taufrisch!
Einer glaubt etwas zu sein, weil eine, die nichts ist und noch weniger, auf ihn „fliegt"! Einer läßt sich ein hellblaues Samtgilet machen mit grünen Glasknöpfen. Einer zahlt einer ein Kalbsfilet mit Spargelspitzen und ist überzeugt, bei ihr eine Eroberung gemacht zu haben. Ein anderer zahlt noch mehr und ist noch überzeugter!
Die begehrten Frauen fühlen sich wie in einem Irrenhaus. Nur die begehrenden Männer nicht. Die sind zu borniert dazu. Die nehmen alles ernst. Eine junge Dame sagte zu mir: „Daß wir die Männer brauchen, das begreife ich! Als idiotische Würzen! Aber wozu sie uns brauchen, das kann ich nicht begreifen!
Gute Nacht!
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