Dienstag, 5. Mai 2015

Beziehungen

von Arthur Schnitzler

In den Beziehungen zwischen Menschen gibt es so wenig einen Stillstand wie im Leben des einzelnen. Es gibt Beginn, Entwicklung, Höhepunkt, Abstieg und Ende, und gerade so wie beim Individuum selbst Erkrankungen der verschiedensten Art: Unpässlichkeiten, angeborene Krankheiten, Erschöpfungszustände, Alterserscheinungen; - und auch an Hypochondrien fehlt es keineswegs. Manche Beziehungen gehen schon an Kinderkrankheiten zugrunde; auch solche, die durch Sorgfalt, gute Pflege, kurz, durch eine vernünftige Hygiene erhalten werden können; andere schwinden in der Blüte ihrer Jahre durch interkurrente Krankheiten dahin, andere wieder sterben früher oder später an konstitutionellen Leiden, die selten rechtzeitig diagnostiziert wurden; einige altern rasch, andere langsam, manche sind scheintot und können durch Geduld, durch Anwendung der richtigen Mittel, durch guten Willen wieder zum Leben erweckt werden. Aber auch darin gleichen die menschlichen Beziehungen den Menschen selbst, dass nur wenige sich in das Unvermeidliche fügen, Wissen, Leiden und Alter mit Würde tragen und in Schönheit sterben.


Gute Nacht!

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