von José Ortega Y Gasset
Das Leben ist
eine Reise, sagten die Asketen und richteten mit verändertem Zielpunkt
den Pfeil ihrer Sehnsucht auf die ewige Herberge. Warum wählten sie ein
Stück des Lebens — eine Reise — als Gleichnis des Ganzen?
Auf der
Reise tritt die Flüchtigkeit unserer Beziehung zu den Dingen am
schärfsten hervor. Sie rollen an uns, wir rollen an ihnen vorbei; sie
streifen uns nur in einem Punkt, einen Augenblick unserer Person, so daß
ihre Berührung, wie rund und weich sie auch sei, uns immer ein wenig
schmerzhaft durchfährt wie ein Riß und Stich.
Wenn wir einer
Landschaft, einer Freundschaft, einem Glück zujubeln: es kommt, es
kommt, müssen wir die Lippen schon bereiten zu dem wehmütigen: es
vergeht, es vergeht. Wie man sich am Anblick eines schmucken Reiters
nicht ergötzen kann — schreibt der Padre Juan Eusebio Nieremberg in der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts —, wenn er beständig mit verhängten
Zügeln dahersprengt, ebenso kann man die Dinge dieser Welt nicht
genießen, weil sie nicht stillhalten und unaufhörlich mit verhängten
Zügeln davoneilen. Da die Güter des Lebens — fügt er hinzu — so
vergänglich sind, gibt Gott sie uns nur spärlich und gibt uns das Leben
in Teilchen und mischt so viele Teile Tod hinein, wie er uns Stücklein
Leben gibt.
Denn weil wir die Dinge nicht festhalten können, schließt
der wackere Pater, daß sie nichts taugen oder, wie er sagt, verächtlich
sind. Verächtlich! bei Gott, nein! Just weil sie so wundervoll sind,
will ihre eilige Flucht uns das Herz brechen.
Wenn die Welt aus
Zahnschmerz bestünde, wäre Vergänglichkeit ihr bestes Verdienst.
Gute Nacht!
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