von Norberto Bobbio
Die Welt der alten
Menschen, aller alten Menschen, ist in mehr oder weniger ausgeprägter
Form die Welt der Erinnerung. Man sagt: am Ende bist du das, was du
gedacht, geliebt, vollbracht hast. Ich möchte hinzufügen: du bist das,
was du erinnerst. Außer den Gefühlen, die du geweckt hast, den Gedanken,
die du gedacht hast, den Taten, die du vollbracht hast, sind die
Erinnerungen, die du bewahrt und nicht in dir ausgelöscht hast, deine
Reichtümer, und du bist nun ihr einziger Wächter. Die Dimension, in der
der alte Mensch lebt, ist die Vergangenheit. Die Zeitspanne, die die
Zukunft noch für ihn bereithält, ist zu kurz, als dass er sich Gedanken
um das machen müsste, was kommen wird.
Verschwende die kurze Zeit nicht,
die dir noch bleibt. Geh deinen Weg in Gedanken noch einmal. Die
Erinnerungen werden dir helfen. Aber die Erinnerungen werden nicht
auftauchen, wenn du nicht hingehst, sie in den entferntesten Winkeln
deines Gedächtnisses aufzustöbern. (...) In der Erinnerung findest du
(...) dich selber wieder, deine Identität. Die meisten von denen, die zu
deiner Begleitung gehörten, haben dich inzwischen verlassen. (...) In
dem Moment, da du sie dir ins Gedächtnis zurückrufst, lässt du sie
wieder leben, einen Moment wenigstens, und damit sind sie nicht gänzlich
tot, sind nicht vollkommen im Nichts verschwunden (...).
Gute Nacht!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen