von Erich Fromm
Der dritte Irrtum, der zu
der Annahme führt, das Lieben müßte nicht gelernt werden, beruht darauf,
dass man das Anfangserlebnis, «sich zu verlieben», mit dem permanenten
Zustand «zu lieben» verwechselt. Wenn zwei Menschen, die einander fremd
waren – wie wir uns das ja alle sind –, plötzlich die trennende Wand
zwischen sich zusammenbrechen lassen, wenn sie sich eng verbunden, wenn
sie sich eins fühlen, so ist dieser Augenblick des Einsseins eine der
freudigsten, erregendsten Erfahrungen im Leben. Besonders herrlich und
wundervoll ist er für Menschen, die bisher abgesondert, isoliert und
ohne Liebe gelebt haben.
Dieses Wunder der plötzlichen innigen
Vertrautheit wird of dadurch erleichtert, daß es mit sexueller Anziehung
und sexueller Vereinigung Hand in Hand geht oder durch sie ausgelöst
wird. Freilich ist diese Art Liebe ihrem Wesen nach nicht von Dauer. Die
beiden Menschen lernen einander immer besser kennen, und dabei verliert
ihre Vertrautheit immer mehr den geheimnisvollen Charakter, bis ihr
Streit, ihre Enttäuschungen, ihre gegenseitige Langeweile die
anfängliche Begeisterung getötet haben. Anfangs freilich wissen sie das
alles nicht und meinen, heftig verliebt und «verrückt» nacheinander zu
sein, sei der Beweis für die Intensität ihrer Liebe, während es
vielleicht nur beweist, wie einsam sie vorher waren.
Gute Nacht!
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