Mittwoch, 13. September 2017

Aus dem Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars

von Jean-Jacques Rousseau

Stets würde ich der Natur so nahe als möglich bleiben, um den Sinnen, die ich aus ihrer Hand empfangen habe, zu schmeicheln, da ich mich nicht gegen die Ueberzeugung zu verschließen vermag, daß ich desto wahreren Genuß finden würde, je mehr ich ihn aus der Natur schöpfte. Bei der Wahl zur Nachbildung bestimmter Gegenstände würde ich sie beständig zum Muster nehmen; bei der Befriedigung meiner Begierden würde ich ihr stets den Vorzug einräumen; in Sachen des Geschmacks würde mir stets zu Rate ziehen; von den Speisen würden mir stets diejenigen am besten gefallen, zu deren Zubereitung sie selbst das meiste beigetragen hat, und die durch die wenigsten Hände zu gehen brauchen, ehe sie auf unseren Tisch gelangen. Den Fälschungen, mit denen man uns zu täuschen sucht, würde ich vorbeugen; dem Vergnügen würde ich entgegenkommen. Meine törichte und rohe Eßlust würde keinen Haushofmeister bereichern. Er sollte mir nicht schweres Gold wie Gift wirkende Leckerbissen verkaufen.Meine Tafel sollte gewiß nicht mit dem Prunk kostbaren Schmutzes und aus weiter Ferne herbeigeschafften Aases besetzt werden. Ich würde mich zur Befriedigung meiner Sinnlichkeit keine Mühe verdrießen lassen, weil diese Mühe schon an und für sich ein Vergnügen ist und das erwartete dadurch erhöht. Gelüftete es mich nach einem Gericht vom äußersten Ende der Welt her, so würde ich lieber, wie Apicius, mich aufmachen, um es an Ort und Stelle zu genießen, als es mir kommen zu lassen; denn auch den ausgesuchtesten Speisen fehlt es stets an einer Würze, die man nicht gleichzeitig mit ihnen versenden kann und die kein Koch zu ersetzen vermag: die Luft des Klimas, welches sie hervorgebracht hat.


Gute Nacht!

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