von Edgar Allan Poe
Einen Blick in das Innere, in die
Maschinerie jedweden Kunstwerks zu tun, zu sehen, wie da die Räder
ineinander greifen, ist fraglos an sich schon ein großes Vergnügen, doch
eines, dessen wir nur teilhaft werden können, sobald wir absehen von
demjenigen Effekte, welchen der Künstler angestrebt hat. Und in der Tat,
allzu oft begibt sich's, dass unser analytisches Reflektieren über
Kunst eigentlich bloß dem Spiegelwerke im Tempel zu Smyrna gleicht,
welches auch das holdeste Bild nur als ein verzerrtes zurückwarf.
Aufgefordert,
in aller Kürze den Begriff Kunst zu definieren, könnte ich ihn nur
bezeichnen als die Reproduktion dessen, was unsere Sinne durch den
Schleier der Seele von der Natur wahrnehmen.
Die bloße Imitation der
Natur, wie akkurat sie immer sein mag, berechtigt den Menschen noch
lange nicht, sich den geheiligten Namen "Künstler" anzulegen, denn er
war kein Künstler. Die Trauben des Zeuxis waren unkünstlerisch, man
hätte sie denn mit eines Vogels Augen betrachtet, und nicht einmal der
Vorhang des Parrhasios konnte über des Malers Mangel an Genie
hinwegtäuschen.
Ich habe vom Schleier der Seele gesprochen.
Dergleichen scheint in der Kunst unabdinglich zu sein. Wir sind
jederzeit in der Lage, die Schönheit einer realen Landschaft zu
verdoppeln, in dem wir bei ihrer Betrachtung die Augen halb schließen.
Die nackten Sinne sehen bisweilen zu wenig, und zwar stets dann, wenn
sie zu vieles sehen.
Gute Nacht!
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