von Max Frisch
Niemand will wissen, was ihm im Alter bevorsteht.
Wir
sehen es zwar aus nächster Nähe täglich, aber um uns selbst zu schonen,
machen wir aus dem Altern ein Tabu: der Gezeichnete selber soll
verschweigen, wie widerlich das Alter ist.
Das Gebot, das Alter zu
ehren, stammt aus Epochen, als hohes Alter eine Ausnahme darstellte.
Wird heute ein alter Mensch gepriesen, so immer durch Attest, dass er
verhältnismäßig noch jung sei, geradezu noch jugendlich.
Unser
Respekt beruht immer auf einem Noch („noch unermüdlich“, „noch heute
eine Erscheinung“, „durchaus noch beweglich in seinem Geist“). Unser
Respekt gilt in Wahrheit nie dem Alter, sondern ausdrücklich dem
Gegenteil: dass jemand trotz seiner Jahre noch nicht senil sei.
Gute Nacht!
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