von Amos Oz
Einmal, ich war sieben oder acht
Jahre alt, sagte mir Mutter, [...] es stimme zwar, dass Bücher sich im
Laufe der Jahre verändern könnten, genauso wie Menschen sich mit der
Zeit veränderten, aber der Unterschied liege darin, dass Menschen dich
letztlich fast alle im Stich ließen, sobald sie keinen Nutzen oder keine
Freude oder kein Interesse oder einfach keinen Gefallen mehr an dir
fänden, während Bücher dich niemals im Leben im Stich ließen. Du würdest
sie natürlich gelegentlich beiseite legen, manche sogar viele Jahre
oder auch für immer. Aber sie, die Bücher, würden dir auch dann, auch
wenn du ihnen untreu geworden warst, niemals endgültig den Rücken
kehren: Ganz still und bescheiden würden sie auf dem Regal auf dich
warten, sogar jahrzehntelang würden sie warten, ohne zu klagen. Bis du
eines Nachts plötzlich eines von ihnen brauchtest, und sei es um drei
Uhr früh, und sei es auch ein Buch, das du Jahr um Jahr vernachlässigt,
ja fast aus dem Gedächtnis gelöscht hattest, es wird dich nicht
enttäuschen, sondern vom Regal herunterkommen und in dem Moment bei dir
sein, in dem du es brauchst. Es wird nicht mit dir abrechnen, keine
Ausflüchte erfinden und sich nicht fragen, ob es sich für es lohnt, ob
du es verdienst oder ob du noch zu ihm passt, sondern wird einfach sofort
kommen, wenn du es bittest zu kommen.
Gute Nacht!
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