von Erich Fromm
Kann man Liebe haben? Wenn man das
könnte, wäre Liebe ein Ding, eine Substanz, mithin etwas, was man haben
und besitzen kann. Die Wahrheit ist, dass es kein solches Ding wie
"Liebe" gibt. "Liebe" ist eine Abstraktion; vielleicht eine Göttin oder
ein fremdes Wesen, obwohl niemand je diese Göttin gesehen hat. In
Wirklichkeit gibt es nur den Akt des Liebens. Lieben ist ein produktives
Tätigsein, es impliziert, für jemanden (oder etwas) zu sorgen, ihn zu
kennen, auf ihn einzugehen, ihn zu bestätigen, sich an ihm zu erfreuen -
sei es ein Mensch, ein Baum, ein Bild, eine Idee. Es bedeutet, ihn
(sie, es) zum Leben zu erwecken, seine Lebendigkeit zu steigern. Es ist
ein Prozess, der einen erneuert und wachsen lässt. Wird Liebe aber in
der Weise des Habens erlebt, so bedeutet dies, das Objekt, das man
"liebt", einzuschränken, gefangen zu nehmen oder zu kontrollieren. Eine
solche Liebe ist erwürgend, lähmend, erstickend, tötend statt belebend.
Was als Liebe bezeichnet wird, ist meist ein Missbrauch des Wortes, um
zu verschleiern, dass in Wirklichkeit nicht geliebt wird.
Gute Nacht!
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