von Marc Aurel
Mancher, der jemandem eine Gefälligkeit erwiesen hat, ist sogleich bei
der Hand, sie ihm in Rechnung zu stellen; ein anderer ist zwar dazu
nicht sogleich bereit, denkt sich aber doch denselben in anderer
Hinsicht als seinen Schuldner, und hat den geleisteten Dienst immer in
Gedanken. Ein dritter dagegen weiß gewissermaßen nicht einmal, was er
geleistet hat; er ist dem Weinstocke gleich, der Trauben trägt und
nichts weiter will, zufrieden, daß er seine Frucht gegeben hat. Wie ein
Pferd, das dahin rennt, ein Hund nach der Jagd, und eine Biene, die
ihren Honig bereitet: so der Mensch, der Gutes getan hat; er posaunt es
nicht aus, sondern schreitet zu einem andern guten Werke, wie der
Weinstock sich berankt, um zu seiner Zeit wieder Trauben zu tragen. Man
soll also denjenigen sich anschließen, die hierin gewissermaßen ohne
Überlegung handeln? Allerdings. Aber, sprichst du, man muß doch wissen,
was man tut, und einem geselligen Wesen ist es ja, wie's heißt,
eigentümlich zu wissen, daß es zum Nutzen der Gesellschaft wirkt, und
bei Gott! auch zu wollen, daß sein Mitgenosse das empfinde. Wohl wahr,
was du da sagst; aber du verstehst den Sinn meiner Worte nicht recht und
wirst deshalb zur Klasse derjenigen gehören, deren ich zuvor gedacht
habe; denn sie lassen sich durch einen gewissen Schein von
Vernunftmäßigkeit irreführen. Willst du hingegen den wahren Sinn meiner
Äußerung erfassen, so fürchte nicht, darüber irgendeine gemeinnützige
Handlung zu unterlassen.
Gute Nacht!
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