Samstag, 17. Januar 2015

Schlechte Gewohnheiten

von Robert Musil

Die Vorliebe für schlechte Gewohnheiten ist ein bestimmter Grad des Vertrauens in die Aufgaben der Menschheit. Man nimmt sie an, weil der, der sie hat, das große Wort führt. Weil er imponiert. Weil sie Mode sind. Weil man sie täglich sieht und hört. Weil sie bequem sind und man selbst nicht gern nachdenkt. Aber in erster Linie nimmt man sie wohl doch nur deshalb an, weil sie eben keine guten sind. Wir haben ein sehr bescheidenes Misstrauen gegen das Gute: wir haben uns die Vorstellung geschaffen, dass der Himmel fleischlos, alkoholfrei, für Nichtraucher und unendlich weit von uns entfernt sei. Wir fühlen uns erst, wen wir uns recht schlecht aufführen, einigermaßen sicher, dass wir uns nicht geziert betragen. Wir leiden unter der Unbegreiflichkeit, dass wir irgendwann das, was wir nicht tun mögen, das Gute genannt haben, und halten uns nicht für berufen, es weiter darin zu bringen, als seither unbedingt nötig ist. Woher es kommt, dass wir uns sicherer fühlen, wenn wir uns nicht zu hoch erheben, ist gewiss sehr schwer zu erklären; sagen wir doch sogar, dass die Lügen kurze Beine haben, um zu rechtfertigen, dass wir sie lieben!


Gute Nacht!

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