von Elke Heidenreich
Zweimal im Leben hatte sie, die bewusst
Kinderlose, so ein winziges Kind im Arm. Einmal in ihrer Stammkneipe.
Wirt und Wirtin bedienten, es war voll, der Kleine schrie. Sie hatte so
etwas noch nie gemacht, aber was ist schwierig daran, einen Hintern
abzuwischen? Sie verzog sich mit dem Kind, säuberte es, sang dabei,
wusch, cremte, wickelte, und das Kind lachte und streckte die Ärmchen
aus. Sie hatte ein sehr großes Gefühl, das Gefühl: Ich könnte!
Sie wollte nicht, aber sie wusste jetzt: Sie könnte. Heute ist das Kind
fünfundzwanzig und küsst sie jedes Mal, wenn es sie sieht. Es bedient
jetzt auch in der Kneipe.
Das zweite Mal war es im Hotel Adlon,
Luxussuite, sie war Preisträgerin von irgendetwas, angereist mit zwei
Freundinnen. Eine dritte, ihr nicht bekannte Freundin kam dazu, mit
einem sehr kleinen Baby. Ob sie es nehmen könne? Man wolle bummeln
gehen. Sie wollte nicht bummeln gehen, sie lag schon im frischen
Luxusbett, schaute aufs Brandenburger Tor und trank Champagner. Sie
legten das wildfremde Kind zu ihr. Es kuschelte sich an. Die Freundinnen
gingen. Das Kind öffnete die Augen, groß, blau, sah sie an, nahm ihren
Zeigefinger, umklammerte ihn fest und schlief lächelnd, leicht grunzend,
wieder ein.
Und sie lag da, unfassbar glücklich über dieses
Vertrauen, dieses zarte kleine Leben, glücklich auch die Verantwortung
für dieses Leben nicht übernehmen zu müssen. Aber diese Nähe, die drei
Stunden - sie gehören zu den schönsten ihres Lebens.
Gute Nacht!
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