von Arthur Schnitzler
Niemals ist um irgendeine Idee Krieg geführt worden, es hat sich nie um
etwas Anderes als um Machtkämpfe gehandelt, doch waren die Ideen als
Vorwände, geglaubte oder ungeglaubte, niemals zu entbehren. Es ist eine
historische Fälschung, dass der dreißgjährige Krieg ein Religionskrieg
war. Beweis dagegen, dass schon wenige Jahre nach Beginn Protestanten im
Heere des Kaisers und Katholiken bei seinen Gegnern kämpften. Und in
der zweiten Hälfte war das prozentuelle Verhältnis geradezu verschoben.
Es
lässt sich nicht nur beweisen, dass die Ideen, um die Kriege geführt
wurden, den Völkern oder den Heeren vorgespiegelt wurden, es lässt sich
sogar beweisen, dass die Entfessler selbst entweder nicht an die Idee
geglaubt haben, für die sie angeblich kämpften, oder dass sie Monomanen
waren.
Hier spielt natürlich die insbesonders bei Politikern zu hoher
Vollendung ausgebildete Kunst , die eigene Seele gebietsweise
freiwillig ins Dunkel zu versetzen, eine große Rolle.
Man sagt,
er ist den schönen Heldentod gestorben. Warum sagt man nie, er hat eine
herrliche Heldenverstümmelung erlitten? Man sagt, er ist für das
Vaterland gefallen. Warum sagt man nie, er hat sich für das Vaterland
beide Beine amputieren lassen?
Das Wörterbuch des Krieges ist von den
Diplomaten, den Militärs und den Machthabern gemacht. Es sollte von
denen richtiggestellt werden, die aus dem Krieg heimgekehrt sind, von
den Witwen, den Waisen, den Ärzten und den Dichtern.
So lange der
Krieg als eine Möglichkeit überhaupt in Betracht kommt, also, so lange
es Berufszweige gibt, die auf die Möglichkeit eines Krieges gestellt
sind, ferner, so lange es auch nur einen Menschen gibt, der durch den
Krieg seinen Reichtum vergrößern oder solchen erwerben kann und der zu
gleicher Zeit die Macht hat oder den Einfluss, einen Krieg
herbeizuführen, genau so lange wird es Kriege geben. Und hier ist die
Frage des Weltfriedens anzupacken, nirgends anders.
Weder in
religiösen noch in philosophischen, noch in ethischen Motiven. Diese
spielen absolut keine Rolle. Weder die Vernunft, noch das Mitleid, noch
die Ehre dürfen wir mit der geringsten Aussicht auf Erfolg anrufen. Es
handelt sich ausschließlich darum, die Ordnung der Welt so
umzugestalten, dass kein Mensch, auch nicht ein einziger, weder in
Freundes- noch in Feindesland, die geringste Aussicht hat, seine
persönlichen Verhältnisse durch einen Krieg zu verbessern. Unmöglich? So
lange das unmöglich ist, hat die Friedensbewegung nicht die
entfernteste Aussicht auf Erfolg. Mit Tiefsinn und Sentimentalitäten
werdet ihr weder die Herzen der Diplomaten, noch die der Attaches, noch
die der Generäle, noch die der Heereslieferanten rühren.
Gute Nacht!
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