von C. G. Jung
Indem man allgemein der
Meinung huldigt, der Mensch sei das, was sein Bewusstsein von sich
selber weiß, hält man sich für harmlos und fügt so der Bosheit noch die
entsprechende Dummheit hinzu. Man kann zwar nicht leugnen, dass
furchtbare Dinge geschehen sind und noch geschehen, aber es sind jeweils
die anderen, die solches tun. Man schaue auf die teuflischen Mittel der
Zerstörung, sie sind erfunden von vollständig harmlosen Gentlemen, von
vernünftigen, angesehenen Bürgern, die all das sind, was wir wünschen.
Und wenn die ganze Sache in die Luft fliegt und eine unbeschreibliche
Hölle der Zerstörung aufreißt, so scheint niemand dafür verantwortlich
gewesen zu sein. Es geschieht einfach. Und doch ist alles von Menschen
gemacht!
Aber da jedermann blindlings davon überzeugt ist, dass er
nichts ist als ein sehr bescheidenes und unwichtiges Bewusstsein,
welches ordentlich seine Pflichten erfüllt und einen mäßigen
Lebensunterhalt verdient, merkt niemand, dass diese ganze rational
organisierte Masse, die man Staat oder Nation nennt, angetrieben wird
von einer anscheinend unpersönlichen, unsichtbaren, aber furchtbaren
Macht, die von niemandem und nichts aufgehalten werden kann. Diese
schreckliche Macht wird meist erklärt als Furcht vor der benachbarten
Nation, vor der man annimmt, sie sei von einem böswilligen Teufel
besessen. Da niemand fähig ist zu erkennen, wo und wie stark er selbst
besessen und unbewusst ist, projiziert man einfach den eigenen Zustand
auf den Nachbarn und so wird es zu einer heiligen Pflicht, die größten
Kanonen und das giftigste Gas zu haben.
Das Schlimmste dabei ist,
dass man ganz recht hat! Alle Nachbarn werden beherrscht von einer
unkontrollierten und unkontrollierbaren Angst, genau wie man selbst. In
Irrenanstalten ist es eine wohlbekannte Tatsache, dass Patienten, die an
Angst leiden, weit gefährlicher sind als solche, die von Zorn oder von
Hass getrieben werden.
Gute Nacht!
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