von Jean Paul
Über lange Kinderreisen wünscht' ich ein Wort zu sagen. Kurze
von einigen Wochen hält man mit Recht für ein Geist und Leib reifendes
Versetzen dieser zarten Bäumchen, weil der Tausch der alten düstern
Ecken-Enge gegen die luftige Landschaft von Menschen- und Sitten-Wechsel
erheitern und befruchten muß. Etwas anderes aber sind Kinderreisen mit
Städte-Hausierern und Länderrennern, wenn kleine Wesen die große Tour
(durch die Stadt ist schon eine für sie) durch halb Europa machen, auf
welcher das jeden Tag versetzte Bäumchen sich übertreibt und erschöpft.
Wenn schon Erwachsene von ihrem Länder-Umsegeln gefüllte Köpfe und
geleerte Herzen mitbringen, weil das tägliche Laufen durch
Kompagnie-Gassen von Menschen mit Spießruten oder doch ohne Bruderküsse
zuletzt so erkälten muß, wie das Hofleben tut, worin, wie in einem
englischen Tanze, der Tänzer die Kolonne auf- und niederspringt und
seine Hand kalt einer jeden gibt: wie muß erst langes Reisen – dem
Erwachsenen nur Herbstreif – als Frühlingreif das Kind verwüsten! Langes
Zusammenleben mit verbundnen Menschen entwickelt in diesem die
Liebewärme; das Einerlei der Menschen, Häuser, Kindheitplätze, ja der
Gerätschaften hängt sich geliebt an das Kind und verstärkt, wie eine
magnetisch gehaltene Last, das magnetische Anziehen; und so wird in
dieser Frühzeit der reiche Magnetbruch künftigen Liebens aufgetan, weil
das Kind beinahe alles liebgewinnt, was es täglich sieht – im Dorfe eine
leichte Sache –, den Holzhacker der Eltern, die Botenfrau, den alten
Peter, der jeden Sonnabend um einen Sonntag bettelt, ja sogar ferne,
stundenweit entlegne Honoratiores von Bekanntschaft. Mit einer Kindheit
voll Liebe aber kann man ein halbes Leben hindurch für die kalte Welt
haushalten. – Nun soll aber statt dergleichen ein Kind auf Reisen gehen –
z. B. etwa durch halb Europa – und soll, da man dessen
Wohn-Marktflecken samt Einwohnern nicht hinter dem Wagen aufpacken, noch
in den Gastzimmern der großen Städte abpacken kann, jeden Tag auf neue
Menschen, Stuben, Kellner, Gäste stoßen, an welchen allen das junge Herz
aus Zeitmangel nicht zum reifen Ausbruche der Teilnahme kommen kann: –
was kann dann aus dem kleinen Wesen werden? Ein Hofmännchen oder
Hofweibchen ohne Hof, kühl, hell, fein, matt, satt, süß und schön.
Gute Nacht!
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