von Marc Aurel
Mancher, der jemandem eine Gefälligkeit erwiesen hat, ist sogleich bei
der Hand, sie ihm in Rechnung zu stellen; ein anderer ist zwar dazu
nicht sogleich bereit, denkt sich aber doch denselben in anderer
Hinsicht als seinen Schuldner, und hat den geleisteten Dienst immer in
Gedanken. Ein dritter dagegen weiß gewissermaßen nicht einmal, was er
geleistet hat; er ist dem Weinstocke gleich, der Trauben trägt und
nichts weiter will, zufrieden, daß er seine Frucht gegeben hat. Wie ein
Pferd, das dahin rennt, ein Hund nach der Jagd, und eine Biene, die
ihren Honig bereitet: so der Mensch, der Gutes getan hat; er posaunt es
nicht aus, sondern schreitet zu einem andern guten Werke, wie der
Weinstock sich berankt, um zu seiner Zeit wieder Trauben zu tragen. Man
soll also denjenigen sich anschließen, die hierin gewissermaßen ohne
Überlegung handeln? Allerdings. Aber, sprichst du, man muß doch wissen,
was man tut, und einem geselligen Wesen ist es ja, wie's heißt,
eigentümlich zu wissen, daß es zum Nutzen der Gesellschaft wirkt, und
bei Gott! auch zu wollen, daß sein Mitgenosse das empfinde. Wohl wahr,
was du da sagst; aber du verstehst den Sinn meiner Worte nicht recht und
wirst deshalb zur Klasse derjenigen gehören, deren ich zuvor gedacht
habe; denn sie lassen sich durch einen gewissen Schein von
Vernunftmäßigkeit irreführen. Willst du hingegen den wahren Sinn meiner
Äußerung erfassen, so fürchte nicht, darüber irgendeine gemeinnützige
Handlung zu unterlassen.
Gute Nacht!
Dienstag, 27. Januar 2015
Donnerstag, 22. Januar 2015
Vertrauen
von Heidrun Fraas
Gute Nacht!
Ich war dabei, als sie in deine Arme springen wollte,
du sie aber nicht auffingst, weil sie lernen sollte,
dass du, wenn du nein sagst, auch nein meinst.
Als sie auf dem Boden lag und weinte,
sagtest du: Mach doch kein Drama draus!
Doch diese Wunde heilt nie aus.
Gute Nacht!
Samstag, 17. Januar 2015
Schlechte Gewohnheiten
von Robert Musil
Die Vorliebe für schlechte Gewohnheiten ist ein bestimmter Grad des Vertrauens in die Aufgaben der Menschheit. Man nimmt sie an, weil der, der sie hat, das große Wort führt. Weil er imponiert. Weil sie Mode sind. Weil man sie täglich sieht und hört. Weil sie bequem sind und man selbst nicht gern nachdenkt. Aber in erster Linie nimmt man sie wohl doch nur deshalb an, weil sie eben keine guten sind. Wir haben ein sehr bescheidenes Misstrauen gegen das Gute: wir haben uns die Vorstellung geschaffen, dass der Himmel fleischlos, alkoholfrei, für Nichtraucher und unendlich weit von uns entfernt sei. Wir fühlen uns erst, wen wir uns recht schlecht aufführen, einigermaßen sicher, dass wir uns nicht geziert betragen. Wir leiden unter der Unbegreiflichkeit, dass wir irgendwann das, was wir nicht tun mögen, das Gute genannt haben, und halten uns nicht für berufen, es weiter darin zu bringen, als seither unbedingt nötig ist. Woher es kommt, dass wir uns sicherer fühlen, wenn wir uns nicht zu hoch erheben, ist gewiss sehr schwer zu erklären; sagen wir doch sogar, dass die Lügen kurze Beine haben, um zu rechtfertigen, dass wir sie lieben!
Gute Nacht!
Die Vorliebe für schlechte Gewohnheiten ist ein bestimmter Grad des Vertrauens in die Aufgaben der Menschheit. Man nimmt sie an, weil der, der sie hat, das große Wort führt. Weil er imponiert. Weil sie Mode sind. Weil man sie täglich sieht und hört. Weil sie bequem sind und man selbst nicht gern nachdenkt. Aber in erster Linie nimmt man sie wohl doch nur deshalb an, weil sie eben keine guten sind. Wir haben ein sehr bescheidenes Misstrauen gegen das Gute: wir haben uns die Vorstellung geschaffen, dass der Himmel fleischlos, alkoholfrei, für Nichtraucher und unendlich weit von uns entfernt sei. Wir fühlen uns erst, wen wir uns recht schlecht aufführen, einigermaßen sicher, dass wir uns nicht geziert betragen. Wir leiden unter der Unbegreiflichkeit, dass wir irgendwann das, was wir nicht tun mögen, das Gute genannt haben, und halten uns nicht für berufen, es weiter darin zu bringen, als seither unbedingt nötig ist. Woher es kommt, dass wir uns sicherer fühlen, wenn wir uns nicht zu hoch erheben, ist gewiss sehr schwer zu erklären; sagen wir doch sogar, dass die Lügen kurze Beine haben, um zu rechtfertigen, dass wir sie lieben!
Gute Nacht!
Montag, 12. Januar 2015
Lebenspflichten
von Ludwig Christoph Heinrich Hölty
Gute Nacht!
Rosen auf den Weg gestreut,
Und des Harms vergessen!
Eine kleine Spanne Zeit
Ward uns zugemessen.
Heute hüpft, im Frühlingstanz,
Noch der frohe Knabe;
Morgen weht der Todtenkranz
Schon auf seinem Grabe.
Wonne führt die junge Braut
Heute zum Altare;
Eh die Abendwolke thaut,
Ruht sie auf der Bahre.
Ungewisser, kurzer Daur
Ist dies Erdeleben;
Und zur Freude, nicht zur Traur,
Uns von Gott gegeben.
Gebet Harm und Grillenfang,
Gebet ihn den Winden;
Ruht, bey frohem Becherklang,
Unter grünen Linden.
Laßet keine Nachtigall
Unbehorcht verstummen,
Keine Bien', im Frühlingsthal,
Unbelauschet summen.
Fühlt, so lang es Gott erlaubt,
Kuß und süße Trauben,
Bis der Tod, der alles raubt,
Kommt, sie euch zu rauben.
Unser schlummerndes Gebein,
In die Gruft gesäet,
Fühlet nicht den Rosenhayn,
Der das Grab umwehet.
Fühlet nicht den Wonneklang
Angestoßner Becher;
Nicht den frohen Rundgesang
Weingelehrter Zecher.
Gute Nacht!
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