von Friedrich Rückert
Im Verluste zu gewinnen,
Ist ein schwieriges Beginnen,
Und gelinget andern nie,
Als der Lieb' und Poesie.
Liebe läßt sich nichts entrinnen,
Hat nicht außen, sondern innen;
Und das Nichts, sie weiß nicht wie,
Macht zum Etwas Poesie.
Nicht dahin ist, was von hinnen,
Bleibt im Sinn, nicht in den Sinnen;
Fest auf ewig halten's die
Beiden, Lieb' und Poesie.
Gute Nacht!
von Johann Peter Hebel
Zwei Fuhrleute
begegneten sich mit ihren Wagen in einem Hohlweg und konnten einander
nicht gut ausweichen. „Fahre mir aus dem Wege!“ rief der eine. „Ei, so
fahre du mir aus dem Wege“, rief der andere. „Ich will nicht!“ sagte der
eine. „Ich brauche nicht!“ sagte der andere. Weil keiner nachgab, kam
es zu heftigem Zank und zu Scheltworten.
„Höre, du“, sagte endlich
der erste,“ jetzt frage ich dich zum letzten Mal: Willst du mir aus dem
Wege fahren oder nicht? Tust du es nicht, so mache ich es mit dir, wie
ich es heute schon mit einem gemacht habe.“Das schien dem andern doch
eine bedenkliche Drohung. „Nun“, sagte er, „so hilf mir wenigstens,
deinen Wagen ein wenig beiseite schieben; ich habe ja sonst nicht Platz,
um mit dem meinigen auszuweichen!“ Das ließ sich der erste gefallen,
und in wenigen Minuten war die Ursache des Streites beseitigt.
Ehe
sie schieden, fasste sich der, der aus dem Wege gefahren war, noch
einmal ein Herz und sagte zu dem andern: „Höre, du drohtest doch, du
wolltest es mit mir ma-chen, wie du es heute schon mit einem gemacht
hättest! Sage mir doch, wie hast du es mit dem gemacht?“
„Ja, denke dir“, sagte der andere, der Grobian wollte mir nicht aus dem Wege fahren, da – fuhr ich ihm aus dem Wege.“
Gute Nacht!