von Blaise Pascal
Die
erste Sache, die sich dem Menschen bei einer Selbstbetrachtung
darbietet, ist sein Körper, das heißt eine gewisse Masse Materie, die
ihm eigen ist. Um aber zu begreifen, was sie sei, muß er sie vergleichen
mit allem, was über, und mit allem, was unter ihm ist, damit er seine
rechten Grenzen erkenne.
Er bleibe doch nicht dabei stehen,
einfach die Gegenstände zu betrachten, welche ihn umgeben; er betrachte
die ganze Natur in ihrer ganzen erhabenen Majestät; er beschaue jenes
glänzende Licht, welches gleich einer ewigen Fackel das Universum
erleuchtet; die Erde erscheine ihm wie ein Punkt, gegenüber dem weiten
Umkreis, den dieses Gestirn beschreibt; und er möge darüber erstaunen,
daß dieser weite Umkreis selbst nur ein verschwindender Punkt ist
gegenüber dem, den die Sterne, die im Firmamente dahinrollen, umfassen.
Wenn
aber hier unser Denken stillsteht, so möge die Phantasie
weiterschweifen. Sie wird weit eher ermüden auszumalen, als die Natur,
Farben darzureichen. Alles, was wir von der Welt sehen, ist nur eine
unmerkliche Spur in dem weiten Busen der Natur. Keine Idee reicht an die
Ausdehnung ihrer Räume. Wir haben unsere Begriffe gut aufgeblasen, wir
schaffen doch nur Atome gegenüber den wirklichen Dingen. Es ist eine
unendliche Sphäre, deren Zentrum überall, deren Peripherie nirgends ist.
Endlich ist es eins der größten deutlichen Kennzeichen der Allmacht
Gottes, daß unsere Phantasie sich in diesem Gedanken verliert.
In
sich zurückgekehrt, betrachte der Mensch, was er ist im Verhältnis zu
dem, was ist; er erkenne sich als verirrt in diesem abgelegenen Bezirk
der Natur; und darnach, wie ihm dieser kleine Kerker, in welchem er
wohnt, das heißt diese sichtbare Welt erscheint, lerne er die Erde, die
Königreiche, die Städte, sich selbst, seinen wahren Wert schätzen.
[...]
Der
Mensch ist nur ein sehr schwaches Rohr der Natur; aber er ist ein
denkendes Rohr. Das ganze Universum braucht sich nicht zu bewaffnen, ihn
zu zermalmen. Etwas Dampf, ein Tropfen Wasser genügt, ihn zu töten.
Aber wenn das Universum ihn auch zermalmt, der Mensch ist doch viel
edler als das, was ihn tötet, denn er weiß, dass er stirbt; welchen
Vorzug das Universum auch vor ihm hat, das Universum weiß nichts davon.
Also besteht all unsere Würde in dem Gedanken.
Daran müssen wir
uns wieder aufrichten, nicht am Raum noch an der Dauer. Sorgen wir also
dafür, gut zu denken. Das ist das Prinzip der Moral!
Gute Nacht!
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